03. April 2021

Prof. Dr. Friedhelm Jung, Bonn

Als mitten in der Corona-Krise einige Pastoren in Bonn von Journalisten gefragt wurden, ob die Pandemie auch als Strafe Gottes verstanden werden könne, antworteten alle einstimmig: auf keinen Fall; Gott sei ein liebender Gott und füge den Menschen kein Leid zu.

Nun kann man selbstverständlich eine solche Meinung vertreten. Doch stimmt sie mit dem biblischen Zeugnis überein? Die Bibel, da sind sich die christlichen Konfessionen einig, ist die Selbstoffenbarung Gottes an uns Menschen. Was wir von Gott wissen, wissen wir aus der Heiligen Schrift. Was aber lehren das Alte und Neue Testament über Gott und Leid? Und wie dachte die christliche Kirche in den zurückliegenden Jahrhunderten darüber?

Im Mittelalter lag in Theologie und Verkündigung ein Schwerpunkt auf dem richtenden Gott. Für die damaligen Menschen war eine Seuche oder eine Hungersnot ein Gericht Gottes für die Sünden einer Gesellschaft. Die Gläubigen hatten Angst vor den Strafen Gottes und waren bestrebt, durch Wallfahrten und Ablasshandel ihre Sündenstrafen zu minimieren. Auch Martin Luther suchte als katholischer Mönch über Jahre verzweifelt den gnädigen Gott. Nachdem er ihn in Jesus Christus gefunden hatte, wurde in der neu entstandenen evangelischen Kirche das einseitige Gottesbild der mittelalterlichen Theologie zwar zurechtgerückt, indem die reformatorische Theologie eine ausgewogene Sicht der Gerechtigkeit und Liebe Gottes lehrte: Gott ist zwar heilig und gerecht und straft unbußfertige Sünder und Nationen; doch denen, die von ihren sündigen Wegen umkehren, erweist er seine Liebe und Gnade und vergibt ihnen ihre Schuld um Christi willen. Gleichwohl hat kein damaliger Theologe einen Bereich der Wirklichkeit dem Wirken Gottes entzogen und als ausschließlich natürlich erklärt, sondern alles Geschehen auf diesem Globus als unter Gottes Vorsehung stehend erkannt, der durch Gericht und Gnade diese Welt regiert und lenkt. Daher hat Luther auch völlig selbstverständlich in seiner Schrift „Ob man vor dem Sterben fliehen möge“ von einer Strafe Gottes gesprochen, als 1525 und 1527 die Pest in Breslau und Wittenberg wütete. Denn Luther und die Theologen der Reformationszeit wussten, dass man von der Liebe Gottes nur dann überzeugend reden kann, wenn man auch den Zorn und das Gericht Gottes kennt.

Doch seit der Epoche der Aufklärung ging die reformatorische Sicht von Gericht und Gnade und einem in den Weltlauf eingreifenden Schöpfer nach und nach verloren und ein deistisches Gottesbild wurde vorherrschend, nach welchem ein Einwirken Gottes auf das Weltgeschehen nicht zu erwarten sei. Immer mehr Theologen begannen nun einseitig die Gnade und Liebe Gottes zu betonen und vergaßen seine Gerechtigkeit und Heiligkeit. Bis heute hält diese Entwicklung an. Eine Analyse von Predigten in Kirchen und Freikirchen zeigt: Der heilige, die Sünde strafende Gott ist weithin in Vergessenheit geraten; es dominiert der „liebe Gott“, dessen Gnade und Güte in Lobpreisliedern gerühmt wird. Die Vorstellung, dass er Menschen, die gottlos leben und nicht bereit sind umzukehren, straft, passt einfach nicht zum heutigen Wohlfühlchristentum und wird deshalb gemieden.

Ein Blick in die Bibel zeigt jedoch, dass dieses moderne Gottesbild genauso falsch (weil einseitig) ist wie das mittelalterliche vom strafenden Gott. Die Heilige Schrift offenbart, dass Gott jenen Menschen gnädig ist und vergibt, die ihre Sünden aufrichtig bekennen und lassen, dass er aber mit harten Strafen diejenigen heimsucht, die in ihren Sünden verharren.

Biblische Beispiele für Gottes Handeln in Gericht und Gnade gibt es viele: Noah und seine Familie werden gerettet, alle anderen kommen in der Sintflut um; Lot und seine Familie werden verschont, Sodom und Gomorra versinken in Schutt und Asche; die an den Messias Jesus gläubigen Juden fliehen 70 n. Chr. auf Jesu Gebot hin (Matthäusevangelium 24,16) aus Jerusalem und werden so vor den Römern bewahrt, während die Ungläubigen in der Stadt bleiben und umkommen oder in römische Gefangenschaft geraten; Ananias und Saphira sterben wegen einer Lüge und Herodes Agrippa wird wegen Gotteslästerung durch einen Engel Gottes vernichtet (Apostelgeschichte 5 und 12). Doch über solche Texte hört man heute keine Predigten. Der heilige, die Sünde strafende Gott ist nahezu abhandengekommen. Übrig geblieben sind nur noch der liebende Gott und damit ein verzerrtes und falsches Gottesbild. Mit einem falschen Gottesbild aber verliert der Mensch letztlich Gott selbst. Er hängt dann einem Nicht-Gott, einem Götzen an, und sobald Katastrophen über ihn hereinbrechen, schwindet der Glaube an Gott völlig; denn wie kann ein allmächtiger und gütiger Gott Leid zulassen?

Das richtige Gottesbild ist also überlebenswichtig für den christlichen Glauben. Und dieses Gottesbild, wie es die Heilige Schrift zeigt, hat wie eine Münze zwei Seiten: Gott ist zugleich heilig und gnädig. Er ist zugleich die Gerechtigkeit und Liebe in Person. Wie Eltern gegenüber ihren Kindern bei deren Ungehorsam streng sein und Strafen verhängen können, so handelt auch Gott mit seinen Geschöpfen. Dass sowohl Eltern wie auch Gott keine Freude daran haben, Strafen zu verhängen, braucht hier nicht betont zu werden (Hesekiel 33,11). Wer liebt, fügt nicht gerne Leid zu.

Sobald wir das reformatorische Gottesbild, das biblisch fundiert ist, wieder zurückgewinnen, können wir Katastrophen wie die Corona-Pandemie oder die Zerstörung Deutschlands 1945 geistlich richtig einordnen: Es handelt sich um Strafen Gottes und um Weckrufe für gottvergessene Generationen, die dem Schöpfer nicht mehr für das tägliche Brot danken, seine Gebote übertreten, über alles Heilige spotten und so leben, als ob es ihn gar nicht gibt. Dem Volk Israel hat Gott ausdrücklich angedroht, mit Epidemien und anderen Plagen strafend zu intervenieren, wenn das Volk sich von Gott und seinen Geboten abwendet (5. Mose 28,20ff.). Und den nichtjüdischen Völkern droht Gott mit denselben Strafen, wenn diese Völker gegen Gott sündigen (Hesekiel 14,12ff.). Wie der Prophet Hesekiel ausführt und die Offenbarung des Johannes es bestätigt, sind es vor allem vier Strafen, mit denen Gott zu allen Zeiten richtend auf Sünden von Völkern reagiert hat: Krieg, Hunger, Seuchen und böse Tiere (Hesekiel 14,21; Offenbarung 6,8).

Als das Volk der Reformation vor 80 Jahren einem anderen als Heiland und Retter zujubelte und vor den Gräueln der Nazi-Diktatur die Augen verschloss, konnte Gott nicht anders, als diese Sünden zu strafen und Deutschland in Schutt und Asche zu legen. Und wenn heute die Menschen gottvergessen sich der Gier nach immer mehr verschrieben haben, die DAX-Kurse wichtiger geworden sind als die Bibel, die Umwelt zerstört, Kinder missbraucht und durch die Einführung der sog. „Ehe für alle“ die Sünde legalisiert wird, dann muss es nicht verwundern, dass sich der Schöpfer in Erinnerung bringt und Wirtschaft, Bildung und Kultur mit einem kleinen, unsichtbaren Feind lahmlegt.

Dabei spielt es keine Rolle, ob das Virus durch Nachlässigkeit aus einem biologischen Labor entwichen ist oder von einem Tier auf den Menschen überging. Gott bedient sich dieser menschlichen Unzulänglichkeiten als Werkzeuge, so wie er 586 v. Chr. durch den babylonischen König Nebukadnezar Jerusalem zerstören ließ, weil die Stadt im Götzendienst und in Unmoral versunken war.

Freilich ist nicht alles Leid als Konsequenz bestimmter Sünden zu klassifizieren. Leid, das zeigt die Bibel, ist generell eine Folge des Sündenfalls und der Gottestrennung und kann auch als Prüfung (siehe Hiob) oder präventiv (siehe Paulus, 2. Korinther 12,7) von Gott zugelassen oder geschickt werden. Doch wenn Millionen erkranken und Hunderttausende sterben, dann haben wir es mit einem Gericht Gottes zu tun. Das zeigen die genannten Bibelstellen aus dem Buch Hesekiel überaus deutlich.

Kritiker wenden ein, die Pandemie könne kein Gericht Gottes sein, weil so viele Alte sterben und diese seien doch nicht schlimmere Sünder als andere. Als Jesus mit einem ähnlichen Einwand konfrontiert wurde, entgegnete er: Es stimmt, dass diese Menschen nicht mehr gesündigt haben als andere; aber sie haben gesündigt und deshalb kommen sie um. Und wenn ihr, die ihr jetzt noch einmal davongekommen seid, nicht umkehrt, werdet ihr ebenso umkommen (Lukas 13,1-5). Und jenem Gelähmten, den Jesus geheilt hatte, sagt er: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre.“

Pastoren, die mitten in einer der seit dem Zweiten Weltkrieg größten Krisen der Menschheit behaupten, Gott strafe die Menschen nicht und füge ihnen nie Leid zu, haben nicht nur den Boden der Heiligen Schrift verlassen, sondern müssen auch als Verführer bezeichnet werden. Denn anstatt die Menschen zur Umkehr und Buße anzuleiten, verhalten sie sich wie die falschen Propheten im Alten Testament. Diese predigten auch „alles wird gut!“ (Jeremia 14,13f.; 23,16f.), obwohl Gott das Gegenteil durch seinen wahren Propheten Jeremia verkündigen und kommen ließ.

Angesichts der vielfältigen Strafen Gottes, mit denen wir gegenwärtig konfrontiert sind (Pandemie, Dürren, Heuschreckenplagen), ist heute nichts wichtiger, als die Menschen zur Umkehr zu Gott und seinen Geboten zu rufen. Zu sagen: „Gott ist in der Krise bei euch; macht euch keine Sorgen“, ist zwar auch richtig und nötig, wird dem Ernst der Lage und der Botschaft der Bibel aber nicht gerecht. Als Jesus Christus seinen Predigtdienst auf Erden begann, lautete seine Botschaft: „Kehrt um!“ Genau das brauchen wir heute: Eine Umkehr zu Gott und seinen Geboten. Sollte diese nicht stattfinden, drohen uns weitere und schlimmere Gerichte als die Corona-Pandemie.