19. März 2021

Übersetzt von Georg Walter, Schömberg

Es wurde in diesem Kapitel mehrfach auf die Lehrauffassungen der Calvinisten in Bezug auf den Heilsplan hingewiesen. Wenn die Menschen in ihrer Sünde tot sind in dem Sinne, dass sie nicht in der Lage sind, durch einen Willensentschluss an Jesus Christus zu glauben, und Gott die einen zum Heil erwählt hat, ihre Sünden gesühnt hat und will, dass sie [die Erwählten] errettet werden, dann besteht der einzige Weg zum Heil für den Erwählten darin, ruhig abzuwarten, bis Gott ihren Willen überwältigt und in ihnen die Wiedergeburt wirkt, damit sie in der Lage sind, Buße zu tun und an das Evangelium zu glauben. Würden die Erwählten anders handeln, würden sie den Willen Gottes vereiteln. Folglich ist im calvinistischen System der Glaube an Christus das Resultat der Errettung, nicht die Ursache, wie Sproul unzweideutig formuliert: „Die reformierte Auffassung der Prädestination [Vorherbestimmung] lehrt, dass das Herz einer Person verändert werden muss, bevor diese Person sich für Christus entscheiden kann. Er muss wiedergeboren werden.“[1] Dann fährt er fort und weist auf die Maxime hin: „Wiedergeburt geht dem Glauben voran“ als „Kardinalpunkt der reformierten Theologie.“[2] Um die Skeptiker zu überzeugen, dass Calvinisten die Heilsordnung tatsächlich auf den Kopf stellen, führen wir eine Reihe von Originalzitaten von Calvinisten an:

„Eine Person wird wiedergeboren, ehe sie glauben kann.“[3]

„Der Mensch wird nicht errettet, weil er an Christus glaubt; er glaubt an Christus, weil er errettet wurde.“[4]

„Ein Mensch ist nicht wiedergeboren, weil er zuerst an Christus geglaubt hat, sondern er glaubt an Christus, weil er wiedergeboren wurde.“[5]

„Wenn ein Mensch über rettenden Glauben verfügt, hat ihn die rettende Kraft Christi bereits aus seinem Zustand des geistlichen Todes errettet.“[6]

„Wir glauben nicht, um wiedergeboren zu werden; wir werden wiedergeboren, damit wir glauben können.“[7]

Dies wird auch in Kapitel X des Westminster Glaubensbekenntnisses gelehrt:

„Diese wirksame Berufung stammt allein von Gottes freier und besonderer Gnade, ganz und gar nicht von irgendetwas, was im Menschen vorausgesehen war, der darin ganz passiv ist, bis er – durch den Heiligen Geist belebt und erneuert – dadurch befähigt ist, seiner Berufung zu folgen und die darin angebotene und vermittelte Gnade zu empfangen.“

Pink behauptet, dass „man den Karren vor das Pferd spannt“, sofern man glaubt, dass der Heilige Geist den Menschen überführt und zum Glauben leitet. „Der Glaube ist nicht die Ursache der Wiedergeburt, sondern die Folge davon.“[8] Aber aufgrund dieser Verkehrung der Heilsordnung „spannt der Calvinismus seinen theologischen Karren vor das biblische Pferd“, wie ein Nichtcalvinist es treffend ausdrückte.[9] Aus diesem Grund wurde am Anfang des Kapitels dargelegt, dass es in der calvinistischen Theologie die unwiderstehliche Gnade ist, die den Menschen vermeintlich errettet; der Glaube ist nach calvinistischer Auffassung lediglich das Resultat dieser „Gnade“.

Um ihre Lehrauffassung zu untermauern, verzerren Calvinisten regelmäßig die Lehrauffassungen der Nichtcalvinisten. Dies geschieht auf zweifache Weise. Erstens, Calvinisten erwecken den Eindruck, ihre theologischen Gegner lehren, dass ein Mensch sich selbst ohne Gottes Hilfe erretten kann:

„Die Wiedergeburt ist ein Wandel, der durch Gott in uns gewirkt wird, nicht ein autonomer Akt, der von uns selbst gewirkt wird.“[10]

„In den Augen des Calvinisten ist es die Not des sündhaften Menschen, dass er errettet werden muss. Der Mensch hat weder Motivation, sich selbst zu erretten, noch wirkt er bei seiner Errettung mit. Der Calvinist vertritt die Auffassung, dass Jesus Christus gekommen ist, den Menschen durch das alleinige Wirken des Heiligen Geistes zu erretten. Jesus Christus ist nicht gekommen, dem Sünder die Botschaft zu überbringen, wie er sich selbst erretten kann; Jesus Christus ist nicht gekommen, den Sünder zu drängen oder zu überführen oder ihm zu helfen, sich selbst zu erretten. Dies ist die Grundlage der calvinistischen Soteriologie [Lehre vom Heil].“[11]

Das Problem mit diesen Aussagen ist, dass dem Calvinismus in diesem Punkt nicht widersprochen wird. Die Bibel lehrt klar, dass ein Mensch die Wiedergeburt oder das Heil nicht in irgendeiner Weise aus sich selbst bewirken kann. Als nächstes unterstellen Calvinisten ihren Gegnern, dass ein Mensch einen Beitrag zu seiner Heilsaneignung leisten kann. Calvinisten neigen dazu, die Gegenseite mit theologischer Terminologie zu ermüden und behaupten, ihre calvinistische Heilslehre sei „Monergismus“, während die Gegenseite den „Synergismus“ vertrete.[12] Sproul bezeichnet dies auch als „wirksame Gnade“ (operative grace) und als „kooperative Gnade“ (cooperative grace).[13] Der Begriff „Monergismus“ bedeutet „allein wirksam“ und „Synergismus“ bedeutet „zusammen wirksam“. Und exakt in diesem Sinne verwenden die Calvinisten diesen Begriff. Das Problem jedoch ist, dass die Calvinisten diese Begriffe in Bezug auf das Heil anwenden, um damit ihre Gegner zu verunglimpfen. Laut Calvinisten beschreibt der Monergismus etwas, „das für sich selbst wirkt oder alleine wirksam ist im Sinne eines einzigen aktiven Beteiligten.“[14] Folglich: „Da die Gnade der Wiedergeburt monergistisch ist und kein menschliches Zusammenwirken erfordert, ist ihre Wirksamkeit in der Gnade und nicht in uns begründet. Wir können nichts tun, damit sie wirksam wird; wir können nichts tun, damit sie unwirksam wird. Wir sind passiv, was unsere Wiedergeburt angeht.“[15] Synergismus, auf der anderen Seite, „ist ein gemeinsames Unterfangen, ein Zusammenwirken von zwei oder mehreren Beteiligten.“[16] Aus diesem Grund sei der „Synergismus fatal für jede christliche Soteriologie, denn er leugnet die totale Knechtschaft der Sünde des Menschen, und er beansprucht, dass ein Teil des menschlichen Willens zum absoluten Guten fähig ist.“[17] Damit bringen die Calvinisten zum Ausdruck, dass ausschließlich ihr theologisches System lehrt, dass das Heil allein das Werk Gottes ist. Alle anderen Lehren, außer der calvinistischen, machen das Heil zu einem gemeinsamen Werk von Gott und dem Menschen. Custance betont, dass „die einzige Verteidigung gegen den Synergismus ein uneingeschränkter Calvinismus ist, der Gott alle Ehre gibt.“[18] Erneut begegnet uns die Vorstellung, dass der Mensch unfähig sein muss, etwas anzunehmen oder es zu verwerfen; andernfalls würde Gott in der Heilsaneignung nicht Ehre erwiesen.

Nicht nur verneinen die Gegner des Calvinismus, dass ein Mensch sich in irgendeiner Weise erretten kann oder selbst die Wiedergeburt aus eigenem Vermögen wirken kann, sondern sie verneinen auch, dass der Mensch mit Gott zusammenwirkt, um das Heil zu empfangen. Um was geht es dann eigentlich? Sproul antwortet: „Bei der klassischen Debatte in der Frage Monergismus/Synergismus geht es nicht um die Frage, wer die Wiedergeburt wirkt. Nahezu alle stimmen darin überein, dass alleine Gott das Werk der Wiedergeburt recht vollführen kann.“[19] Wo ist also das Problem? Sproul führt weiter aus: „Das Problem dreht sich um die Frage, was die nicht wiedergeborene Person tun kann, damit Gott die Wiedergeburt in ihr wirkt. Synergisten vertreten die Auffassung, dass sich eine Person vor der Wiedergeburt für Christus entscheiden oder an Christus glauben kann.“[20] Custance geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wenn der Mensch einen wesentlichen Anteil an seiner Errettung hat, wird er im Grunde zu seinem eigenen Erlöser, selbst wenn er lediglich Gott Raum gibt, durch Nicht-Widerstand (non-resistance) zu wirken.“[21] Wenn demnach ein Mensch an Christus glaubt und nicht länger dem Heiligen Geist widersteht, stiehlt er Gott die Ehre und leistet bei der göttlichen Gabe des Heils selbst einen Beitrag, so der Calvinismus. Erneut muss darauf hingewiesen werden: Im calvinistischen System ist es die unwiderstehliche Gnade, die den Menschen errettet, und der Glaube an Christus ist lediglich das Resultat dieser „Gnade“.

Nachdem die Calvinisten die Dispensationalisten [Vertreter der Brüderbewegung] erbittert dafür kritisierten, weil sie die calvinistische Heilslehre als Irrtum betrachten,[22] waren sie so vermessen, dass sie ihren Gegnern unterstellten, das Evangelium und den Heilsplan zu verzerren:

„In Wahrheit gibt es kein Evangelium, das nicht gänzlich in der Souveränität von Gottes Gnade im Heil verwurzelt ist, was das A und O des Calvinismus darstellt.“[23]

„Der Arminianismus stellt die Heilsordnung auf den Kopf.“[24]

Homer Hoeksema erklärt die reformierte Heilslehre: „Der reformierte Glaube lehrt, dass die Gabe des Glaubens in souveräner Weise ausschließlich den Erwählten durch die Wiedergeburt und den wirksamen Ruf gegeben wird, wenn das Evangelium des gekreuzigten Christus verkündigt wird. Daraufhin tun die Erwählten Buße und glauben und empfangen ewiges Leben.“[25] Obgleich die meisten Calvinisten dem zustimmen würden, gibt es eine Reihe von Calvinisten, einschließlich Herman Hoeksema, die einen Unterschied zwischen der Wiedergeburt und dem wirksamen Ruf machen. Hoeksema argumentiert, dass ein Mensch zuerst wiedergeboren wird und danach mit einem wirksamen Ruf berufen wird.[26] Er sagt über den Wandel, den ein Mensch durch die Wiedergeburt erfährt, dass sich ein Mensch „nicht augenblicklich bewusst ist, welch tiefe Verwandlung in ihm vorgegangen ist. Möglicherweise tut er nicht schlagartig Buße und kommt nicht blitzartig zu einem bewussten Glauben.“[27] Berkhof führt ferner aus: „Es ist möglich, dass diejenigen, die unter der Haushaltung des Evangeliums leben, den Samen der Wiedergeburt lange vor dem Zeitpunkt empfangen, an dem sie sich für Christus entscheiden und damit lange vor dem Zeitpunkt, an dem der wirksame Ruf ihr Bewusstsein durchdringt.“[28] Laut Hoeksema und Berkhof sind es nicht die „Toten, die die Stimme Gottes hören werden“ (Joh 5,25), sondern die Wiedergeborenen, die hören werden.

Diese eigenartige Lehre wird auch von den Hardshell Baptists [calvinistische Baptistendenomination] vertreten. Eddie Garrett ist einer ihrer bekanntesten Prediger und der Herausgeber der Zeitschrift The Hardshell Baptist. Er glaubt, dass „die Wiedergeburt dem Hören und Verstehen des Glaubens vorangehen muss. Leben muss dem Handeln vorangehen.“[29] Eddie Garrett postuliert zwei Arten von Glauben und zwei Arten von Heil:

„Nun müssen wir verstehen, dass es mehr als eine Art von Glauben gibt. Es gibt Glauben, der uns bei der Wiedergeburt eingepflanzt wird und es gibt GLAUBEN. Wir werden nicht ewiglich dadurch errettet, dass wir dem Evangelium glauben; sondern unser Glaube an das Evangelium ist das Resultat der Wiedergeburt durch Gott.“[30]

„Wir haben das Heil als einen EWIGEN Aspekt, zu dem wir nichts beitragen können, und sodann das Heil durch das EVANGELIUM oder die ZEIT, in der wir das Heil erlangen und wo wir zu handeln haben. Der ewige Aspekt sichert uns einen Platz in der Familie Gottes und der zeitliche Aspekt betrifft unseren Wandel, nachdem wir Teil der Familie Gottes geworden sind.“[31]

Wenn dies wahr wäre, wieviel Zeit verstreicht dann zwischen dem ersten Zeitpunkt, an welchem der Mensch den Glauben und das Heil hat und dem zweiten? Garrett beantwortet diese Frage, indem er auf fünf bekannte Personen in der Bibel hinweist:

Paulus: „Die Berufung (Wiedergeburt) ereignete sich, ehe er geboren wurde.“[32]

Jeremia: „Paulus steht damit nicht alleine. Im Falle von Jeremia verhält es sich ebenso.“[33]

Cornelius: „Er war bereits wiedergeboren, ehe Petrus zu ihm gesandt wurde, um zu ihm zu predigen.“[34]

Johannes der Täufer: „Johannes der Täufer wurde wiedergeboren, als er im Leibe seiner Mutter war.“[35]

Lydia: „Lydia war bereits ein Gotteskind, wiedergeboren.“[36]

Es ist unglaublich, aber Garrett bringt damit zum Ausdruck, dass Paulus, Jeremia, Cornelius, Johannes der Täufer und Lydia wiedergeboren waren, lange bevor sie errettet wurden. Best stimmt dem zu und schreibt: „Wie es einen Zeitraum gibt zwischen dem Empfang des Samens und der Geburt eines Kindes, so verhält es sich auf der geistlichen Ebene mit diesem wichtigen Unterschied – niemand weiß, wann das Werk der Wiedergeburt geschieht.“[37]

Die radikale Position der Hardshell Baptists und reformierter Theologen wirft eine Reihe entscheidender Fragen auf. Und tatsächlich muss man diese Fragen allen Calvinisten stellen, die lehren, dass die Wiedergeburt der Buße und dem Glauben vorausgehen. Wenn diejenigen, die zu Christus kommen, bereits wiedergeboren sind, warum kommen sie zu Christus? Wenn sie wiedergeboren sind, ehe sie glauben, sind sie dann nicht schon errettet? Kann ein Mensch von Gott wiedergeboren werden und dennoch verloren gehen? Was geschieht, wenn ein Mensch stirbt, nachdem er wiedergeboren wurde, aber bevor er an Christus glaubt? Kann ein wiedergeborener Mensch in die Hölle kommen? Kann ein Ungläubiger in den Himmel kommen? Gibt es so etwas wie einen wiedergeborenen Menschen, der sich nicht bewusst ist, dass er errettet ist – einen potentiellen Gläubigen?

Nachdem eine Reihe von Calvinisten darauf beharren, dass die Wiedergeburt dem Glauben vorangeht, versuchen andere Calvinisten, die nicht so weit gehen wie Hoeksema wie etwa Berkhof und die Primitive Baptists, ihre Position zu beschönigen, da sie wissen, dass ihre theologischen Auffassungen dem Maßstab der Schrift nicht gerecht werden. Nachdem Keener formulierte, dass die Wiedergeburt die Ursache für Buße und Glauben ist, räumt er ein: „Ich sage nicht, dass du wiedergeboren wirst, und du beginnst erst später, zu glauben und Buße zu tun.“[38] Nachdem Sproul die Wiedergeburt als „notwendige Bedingung für Glauben“ bezeichnete, schreibt er, dass die „reformierte Theologie dafür steht, dass sich Gottes Akt der Wiedergeburt und der Akt des Glaubens gleichzeitig ereignen; es handelt sich nicht um zeitlich voneinander getrennte Ereignisse.“[39] Er postuliert, dass die Wiedergeburt dem Glauben vorausgeht „hinsichtlich logischer und nicht zeitlicher Priorität.“[40] Der baptistische Theologe Strong erklärt, dass die Bekehrung sowohl Buße als auch Glaube beinhaltet und bekräftigt, dass „Wiedergeburt und Bekehrung zeitlich nicht voneinander zu trennen sind.“[41] Sie sind „lediglich die göttliche und die menschliche Seite oder der göttliche und der menschliche Aspekt der gleichen Tatsache.“[42]

Im Gegensatz zu den widersprüchlichen Auffassungen der Calvinisten lehrt die Bibel vollkommen eindeutig, dass die zugerechnete Gerechtigkeit Christi, welche die Grundlage unserer Rechtfertigung und unseres geistlichen Segens ist, dem Menschen zugeteilt wird, nachdem er zum Glauben gekommen ist:

„Darum wurde es ihm auch als Gerechtigkeit angerechnet. Es steht aber nicht allein um seinetwillen geschrieben, dass es ihm angerechnet worden ist, sondern auch um unsertwillen, denen es angerechnet werden soll, wenn wir an den glauben, der unseren Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat.“ Römer 4,22-24

Nach der Bibel hat der Mensch Leben, weil er glaubt; er glaubt nicht, weil er Leben hat:

„Allen aber, die ihn aufnahmen, denen gab er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ Johannes 1,12

 „Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“ Johannes 20,31

 „Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen.“ Römer 1,16

 „Denn weil die Welt durch [ihre] Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung diejenigen zu retten, die glauben.“ 1Korinther 1,21

 „… denn ihr alle seid durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus.“ Galater 3,26

 

Laut Calvinisten errettet Gott nicht diejenigen, „die glauben.“ Stattdessen, wie Warren es sieht: „Es ist durch die Torheit der Predigt, dass Gott diejenigen errettet, die zum ewigen Leben vorherbestimmt (prädestiniert) sind.“[1] Im Calvinismus muss man Leben haben, um das Leben zu empfangen. Gerstner sagt klar aus, dass diejenigen, die zu Christus kommen, bereits errettet sind: „Die Vorstellung, dass Menschen zu Jesus kommen und als Folge davon durch Gott wiedergeboren werden, ist falsch. Im Gegenteil, wir sehen, was Menschen tun, wenn sie sich selbst überlassen bleiben; sie glauben nicht; sie kommen nicht zu Jesus. Diejenigen, die zu Jesus kommen, werden demnach nicht wiedergeboren, sondern im Gegenteil, sie zeigen, dass sie bereits wiedergeboren waren. Mit anderen Worten, sie sind nicht wiedergeboren, weil sie zu Jesus kommen, sondern sie kommen zu Jesus, weil sie wiedergeboren wurden.“[2] Aber wenn ein Mensch zu Christus kommt, weil er bereits wiedergeboren ist, dann muss es die unwiderstehliche Gnade sein, die ihn tatsächlich errettet.

In der Bibel errettet Gott jedoch diejenigen, die glauben:

„Denn so [sehr] hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.“ Johannes 3,16

 „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat ewiges Leben.“ Johannes 6,47

 „Sie aber sprachen: Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du gerettet werden, du und dein Haus!“ Apostelgeschichte 16,31

 „Denn wenn du mit deinem Mund Jesus als den Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ Römer 10,9

Im Gegensatz hierzu geht der Mensch verloren, der sich weigert zu glauben.

„… wer aber dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“ Johannes 3,16

 „Darum habe ich euch gesagt, dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben.“ Johannes 8,24

Das Problem ist die Sünde des Menschen, nicht Gottes Bereitwilligkeit, seine unwiderstehliche Gnade an den „Erwählten“ wirksam werden zu lassen:

„Siehe, die Hand des HERRN ist nicht zu kurz zum Retten und sein Ohr nicht zu schwer zum Hören; sondern eure Missetaten trennen euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass er nicht hört!“ Jesaja 59,1-2

Der Herr „ist gut und vergibt gern; und er ist reich an Gnade für alle, die ihn anrufen“ (Ps 86,5), aber er ist auch „gerecht und rechtfertigt den, der aus dem Glauben an Jesus ist“ (Röm 3,26). Das Heil ist frei, aber nur deswegen, weil Jesus für unsere Schuld bezahlte. Da Gott niemanden zwingt, bleibt es dem Menschen überlassen, Gottes Vergebung anzunehmen oder zu verwerfen: „Tod und Leben steht in der Gewalt der Zunge, und wer sie liebt, der wird ihre Frucht essen“ (Spr 18,21). Aus diesem Grund ist die Errettung durch unwiderstehliche Gnade ein „anderes Evangelium“ (Gal 1,6). Und wie Paulus sagte: „Wie wir es zuvor gesagt haben, so sage ich auch jetzt wiederum: Wenn jemand euch etwas anderes als Evangelium verkündigt als das, welches ihr empfangen habt, der sei verflucht!“ (Gal 1,9).

Mit der Debatte unter Calvinisten, wie genau die Wiedergeburt dem Glauben und der Buße vorangeht, ist eine weitere Debatte verbunden: die Gnadenmittel der Wiedergeburt eines Sünders. Dieses Thema hat viele Kontroversen unter Calvinisten entfacht, vor allem unter den Baptisten. Wenn Calvinisten über die Gnadenmittel der Wiedergeburt streiten, geht es nicht nur um Differenzen in Bezug auf Evangelisation. In der Frage der Gnadenmittel der Wiedergeburt geht es um eine Frage, die die Evangelisation nicht berührt. Wie wir in diesem Buch gesehen haben, sind es die Baptisten – nicht die Presbyterianer und die Reformierten –, die sich als militante Calvinisten erweisen. Und dies wird nirgends deutlicher als in dieser Frage.

Die Fünf-Punkte-Calvinisten unter den Baptisten werden in der Regel als Sovereign Grace Baptists oder Primitive Baptists bezeichnet. Neben weiteren Differenzen (und diese sind zahlreich) sind sich die Sovereign Grace Baptists und die Primitive Baptists uneins, was die Frage angeht, ob Gott Gnadenmittel anwendet, um dem Sünder die Errettung zu bringen. Als Folge davon bezeichnen sich die beiden Gruppen gegenseitig regelmäßig als Irrlehrer.[45] Eddie Garrett, ein Vertreter der Primitive Baptists, verkörpert den konsequenten Calvinismus und sagt über seine Denomination:

Primitive Baptists vertreten noch immer den alten Grundsatz, auf dem die Apostel beharrten – dass Gott den toten und gottfernen Sündern Leben schenkt unabhängig vom gepredigten Wort.“[46]

Primitive Baptists glauben, dass die Schrift lehrt, dass Sünder wiedergeboren werden unabhängig vom Evangelium als Gnadenmittel.“[47]

Da die Primitive Baptists Gnadenmittel bei der Wiedergeburt verneinen, können sie so außergewöhnliche Aussagen wie folgende treffen:

„Nicht diejenigen, die den Herrn Jesus Christus angenommen haben, bestimmen, wer nach dem Ende dieser Welt ein himmlischer Bürger sein wird, sondern der Herr Jesus Christus bestimmt vor Grundlegung der Welt, wer ein himmlischer Bürger sein wird.“[48]

„Gott hat ein auserwähltes Volk und Christus starb für sie, und sie alle [die Erwählten] werden wiedergeboren und im Himmel leben; all dies geschieht aufgrund von Gottes souveräner Gnade. Viele von ihnen werden niemals das Evangelium gehört haben.“[49]

„Die Errettung ist NICHT vom Glauben an das Evangelium abhängig. Tatsächlich kann dies nicht so sein, denn Millionen von Kindern Gottes haben die Verkündigung des Evangeliums nie gehört. Nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen hörte das Evangelium, bevor sie starben. Folglich hatten sie keinen Glauben an das Evangelium, sie konnten auch keinen Glauben haben.“[50]

Im Widerspruch hierzu bestehen die Grace Baptists darauf, dass „man in die Hölle kommt und kommen muss, sofern man niemals das kostbare Evangelium Jesu Christi hört und es glaubt.“[51] Doch die Primitive Baptists halten an ihrer Lehrüberzeugung so unverrückbar fest, dass sie die Lehre, Gott benutze Gnadenmittel, um die Wiedergeburt des Sünders zu bewirken, als „Fabel“[52], als „überzogenen freien Willen“ („free willism“)[53], „Arminianismus“[54] und als eine „klare Verneinung der Lehre der völligen Verderbtheit des Menschen“[55] betrachten. Nach allem, was Bob Ross, Vertreter der Sovereign Grace Baptists, über den Arminianismus sagte, ist es tatsächlich völlig unsinnig, wenn Eddie Garrett über ihn urteilt, er sei „nichts weniger als ein Arminianer im Gewande eines Calvinisten.“[56] Wenn es unwiderstehliche Gnade ist, die einen Menschen tatsächlich errettet, dann kann man mit gesundem Menschenverstand nur zu einer Schlussfolgerung kommen: die Primitive Baptists sind konsequente Calvinisten.

Obgleich die Primitive Baptists die konsequenten Calvinisten sind, bedeutet dies nicht, dass ihre Lehre in Übereinstimmung mit der Schrift ist. Tatsächlich verhält es sich so, dass, je konsequenter ein Calvinist der calvinistischen Lehre folgt, desto weiter entfernt er sich von der Schrift. Es versteht sich von selbst, dass die Schrift das unbedingte Gnadenmittel ist, durch das der Mensch errettet wird:

„So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“ Römer 10,17

 „Denn wenn ihr auch zehntausend Erzieher hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele Väter; denn ich habe euch gezeugt in Christus Jesus durch das Evangelium.“ 1Korinther 4,15

 „Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt.“ 1Petrus 1,23

 „Darum legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist und Kraft hat, eure Seelen selig zu machen.“ Jakobus 1,21

Die irrige Auffassung, die Wiedergeburt werde ohne Gnadenmittel gewirkt, führt zu der Lehre, dass viele der „Erwählten“, in denen Gott die Wiedergeburt wirkt, nie das Evangelium gehört haben und doch in den Himmel kommen. Garrett kommt zu dem Schluss: „Das Evangelium zu hören und zu glauben ist das eine, und wiedergeboren zu werden ist das andere. Die Gesamtsumme der Erwählten ist größer als die Summe der Menschen, die das Evangelium hören und glauben.“[57]

Mit freundlicher Genehmigung von Laurence M. Vance.

Laurence M. Vance, The Other Side of Calvinism, Vance Publications, Orlando, Fifth Printing, 2014, S. 521-530.

 

[1] Sproul, Chosen by God, S. 72.

[2] Ebd.

[3] Best, Simple Faith, S. 34.

[4] Boettner, Predestination, S. 101.

[5] Arthur W. Pink, The Holy Spirit, S. 55.

[6] Gunn, S. 8.

[7] Sproul, Chosen by God, S. 78.

[8] Pink, Sovereignty, S. 73.

[9] Bryson, S. 80.

[10] Storms, Chosen for Life, S. 108.

[11] A. W. Martin, The Practical Implications of Calvinism, S. 13.

[12] Custance, S. 359-364.

[13] Sproul, Grace Unknown, S. 184.

[14] Ebd., S. 183.

[15] Ebd., S. 189.

[16] Ebd., S. 184.

[17] Custance, S. 359-360.

[18] Ebd., S. 364.

[19] Sproul, Willing to Believe, S. 196.

[20] Ebd.

[21] Custance, S. 364.

[22] Gerstner, Wrongly Dividing, S. 149-169; Sproul, Grace Unknown, S. 192-195; Mathison, S. 45-106.

[23] Custance, S. 364.

[24] Sproul, Grace Unknown, S. 186.

[25] Homer Hoeksema, God so Loved, S. 4.

[26] Herman Hoeksema, Grace, S. 49-50.

[27] Ebd., S. 41.

[28] Berkhof, Theology, S. 472.

[29] Garrett, Purpose of the Gospel, S. 1.

[30] Garrett, Faith, S. 1.

[31] Garrett, „Two Salvations“, in: The Hardshell Baptist, Februar 1992, S. 1.

[32] Ebd., S. 2.

[33] Ebd.

[34] Ebd., S. 3.

[35] Garrett, Purpose of the Gospel, S. 4.

[36] Garrett, Lydia, S. 1.

[37] Best, Regeneration, S. 105.

[38] Kenner, S. 205.

[39] Sproul, Willing to Believe, S. 194, 193.

[40] Ebd.

[41] Strong, S. 793.

[42] Ebd.

[43] Warren, Particular Baptists, S. 2.

[44] Gerstner, Predestination, S. 9.

[45] Siehe Ross, The History and Heresy of Hardshellism; Eddie K. Garrett, „A Review of A. H. Strong on Regeneration“, in: The Hardshell Baptist, Januar 1993, S. 1-4; „Contending fort he Faith, A Reply to Bob Ross“, in: The Hardshell Baptist, Januar 1993, S. 1-4.

[46] Garrett, „The Purpose oft he Gospel“, in: The Hardshell Baptist, Mai 1988, S. 1.

[47] Garrett, The Purpose oft he Gospel, 1990, S. 1.

[48] Kevin Fralick, „The Idea of Acceptance“, in: The Christian Baptist, Juni/Juli 1998,  S. 9.

[49] Garrett, Two Salvations, S. 3.

[50] S. T. Tolley, „Ist he Gospel Necessary in Order to be Saved in Heaven?“, in: The Christian Baptist, April 1996, S. 4.

[51] Joseph M. Wilson, „Soul Winning and the Doctrine of Grace“, in: The Baptist Examiner, 29. Februar 1992, S. 3.

[52] Garrett, „The Design of the Gospel“, in: The Hardshell Baptist, Oktober 1991, S. 4.

[53] S. T. Tolley, „Ist he Gospel Necessary in Order to be Saved in Heaven?“, in: The Christian Baptist, April 1996, S. 3.

[54] Garrett, Purpose of the Gospel, 1990, S. 4.

[55] Garrett, Review of Strong, S. 1.

[56] Garrett, Reply to Ross, S. 1.

[57] Garrett, „Who Are Born Again?“, in: The Hardshell Baptist, Juni 1988, S. 4.