Dr. E. S. Williams

Übersetzt von Georg Walter

 

Dr. E.S. Williams erteilte freundlicherweise die Erlaubnis, den vorliegenden Artikel ins Deutsche zu übersetzen und zu veröffentlichen. Williams hielt bei der jährlichen Summer School of Theology im Metropolitan Tabernacle, London, im Juli 2012 zwei Vorträge über die Neuen Calvinisten.
Die Kritik von Dr. Williams, selbst Calvinist, an einer Reihe von Vertretern des Neuen Calvinismus ist somit eine Bewertung aus dem eigenen reformierten Lager und sollte bedacht werden, auch wenn man nicht allen Punkten zustimmen sollte. Dr. Williams ist Mitglied des Metropolitan Tabernacle, London.

 

Teil 1: Der »Neue Calvinismus«
Der Neue Calvinismus ist eine Bewegung, die sich in der christlichen Gemeindein den USA bis nach Großbritannien ausbreitet und andere Länder in der ganzen Welt erreicht. Für manchen Christen mag dieser Begriff neu sein, und daher möchte ich im Folgenden das Phänomen des Neuen Calvinismus erklären. Er ist eine Bewegung, die von sich behauptet, mit den reformierten Lehren von Johannes Calvin, Charles Spurgeon und Jonathan Edwards verbunden zu sein. Angeführt von einigen der bekanntesten Repräsentanten der evangelikalen Welt, erweckt der Neue Calvinismus den Anschein, in der Lehre gesund zu sein. Aber bei genauerer Betrachtung ergibt sich ein anderes Bild. Wir sehen eine Bewegung, die die Welt in die Gemeinde bringt – eine Bewegung, die keinen Unterschied mehr zwischen dem Heiligen und dem Profanen macht. Ich hoffe deutlich machen zu können, welche Probleme der Neue Calvinismus sowohl in der Lehre als auch in der Praxis mit sich bringt.
Der offenkundige Erfolg des Neuen Calvinismus geht auf einige einflussreiche Werke zurück, darunter Megagemeinden, deren Leiter sich bereiterklärt haben, zusammenzuarbeiten. Diese Einheit, die auf Pragmatismus beruht, unterliegt einem rasanten Wandel in der evangelikalen Landkarte der USA und anderer Länder. Der Einfluss dieser neuen Bewegung ist derart groß, dass selbst das TIME-Magazine die Auswirkungen auf die evangelikale Welt thematisiert hat. Dennoch ist es falsch, den Neuen Calvinismus als etwas zu betrachten, das auf einer klaren Lehrgrundlage steht, denn, wie wir sehen werden, handelt es sich hierbei um ein Zelt, das vielen Personen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Vorstellungen, Lehren, Praktiken und Doktrinen Platz bietet.
Zuerst werde ich den Ursprung des Neuen Calvinismus und seinen Bezug zur US-amerikanischen Initiative Gospel Coalition beschreiben, um dann auf die vier Theologen einzugehen, die allgemein als zentrale Figuren des Neuen Calvinismus anerkannt werden: Tim Keller, John Piper, Mark Driscoll und Albert Mohler. Auch wenn der Begriff »Neuer Calvinismus« in Europa selten Verwendung findet, wird die Philosophie dieser Bewegung von vielen Gemeinden auch auf dieser Seite des Atlantiks begierig angenommen.

Der Artikel im TIME-Magazine
Von welcher Bedeutung ist nun der Neue Calvinismus? Während vielen Leuten in Europa der Begriff nicht geläufig ist, übt der Neue Calvinismus enormen Einfluss aus und hat großes Gewicht in der christlichen Gemeinde. Das TIME-Magazine, das größte wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazin der Welt, listete in einem Artikel im Jahre 2009 zehn Ideen auf, die die Welt heute verändern; der Neue Calvinismus stand dabei auf Platz 3. Ted Olson, Redaktionsleiter der größten evangelikalen Zeitschrift Christianity Today, wurde mit den Worten zitiert: »Jeder weiß, wo die Energie und die Leidenschaft in der evangelikalen Welt zu finden sind – beim Pionier der Neuen Calvinisten, John Piper aus Minneapolis, dem streitbaren Mark Driscoll und in Albert Mohler, dem Leiter des Seminars der Südlichen Baptisten.«

Young, Restless, Reformed – jung, rastlos reformiert
Die Geschichte der Neuen Calvinisten begann wahrscheinlich um 2006, als Collin Hansen, ein Redakteur von Christianity Today, einen Artikel veröffentlichte, in welchem er über ein Wiederaufleben reformierter Theologie unter jungen Christen in den USA berichtete. Er kam zu dieser Schlussfolgerung, nachdem er durch die USA gereist war und führende Gemeinden und christliche Institutionen besucht und mit Theologen, Pastoren und Gemeindemitgliedern gesprochen hatte.
Hansens Buch Young, Restless, Reformed – A Journalist’s Journey with the New Calvinists (»Jung, rastlos, reformiert – Die Reise eines Journalisten mit den Neuen Calvinisten«), das im Jahre 2008 veröffentlicht wurde, berichtet über das Wiederaufleben des Calvinismus unter jungen Leuten in den USA.
Hansen war sehr von der Passion Conference beeindruckt, einem großen jährlichen Event, das zeitgenössische Anbetungsmusik neben John Piper als Hauptredner präsentiert. Zwanzigtausend Collegestudenten, die moderne Lobpreismusik lieben, brennen darauf, John Pipers reformiert geprägte Botschaft zu hören. Und Piper sagt, dass die Anbetungslieder, die heute geschrieben werden, von einem großen Gott handeln:

»Sie [die Lieder] waren die Grundlage für die Theologie; ich verstehe noch immer nicht, warum viele Gemeinden nicht dem Sachverhalt folgen, dass Predigt ihre Theologie aus Liedern bezieht. Aber zumindest wird in der Passion-Bewegung Gott durch die Musik erhoben.«1 Hansen sagt, dass die jungen Leute durch die Verkündigung von Piper und durch die Musik der Passion Conference die Nähe Gottes erfahren. »Diese mächtige Kombination auf Konferenzen wie Passion lässt alte Klischees reformierter Theologie als ein kaltes und unnahbares Studium Gottes hinter sich.«

Dann enthüllt Hansen, dass die Gemeinden, die den Sovereign Grace Ministries (ein Netzwerk calvinistisch-charismatisch orientierter Freikirchen) angehören, die charismatische Anbetung mit der calvinistischen Theologie verbinden. Er kommt zu dem Schluss: »Das wachsende Netzwerk charismatischer Calvinisten, das von C. J. Mahaney angeführt wird, ist ein Zeichen des Wiederauflebens des reformierten Glaubens.« Hansen sagt, dass evangelikale Christen, die die High School abschließen und dann die Gemeinden ihrer Jugend verlassen, zu den zeitgenössischen Anbetungskonferenzen wie Passion oder New Attitude pilgern und durch die Musik und den transzendenten Gott, der ihnen durch die reformierte Theologie von John Piper und anderen präsentiert wird, verändert werden.
Hansens Buch lobt die bekannten Persönlichkeiten des Neuen Calvinismus. Er glaubt, dass ein echtes Wiederaufleben stattfindet, und macht die folgenden Beobachtungen:
1.) John Piper ist die zentrale Person im Wiederaufleben des Calvinismus unter jungen Leuten.
2.) Mark Driscoll und seine Mars Hill Church zeugen von der missionalen Ausrichtung des Neuen Calvinismus.
3.) Al Mohler und das Southern Seminary in Louisville fördern das Wiederaufleben des Calvinismus in der Southern Baptist Convention.
4.) Die New Attitude Conference, die von Joshua Harris organisiert wird und reformierte Rap- und Rockmusik anbietet, erreicht junge Menschen mit der Lehre der Neuen Calvinisten.
5.) Der Neue Calvinismus hat traditionelle Lehre erfolgreich mit der charismatischen Lehre und Praxis von C. J. Mahaney und den Gemeinden der Sovereign Grace Ministries verbunden.
6.) Tim Keller von der Redeemer Presbyterian Church in New York und einer der Leiter der Gospel Coalition ist der führende kulturelle Analytiker der Bewegung der Neuen Calvinisten.

Hansens Buch wurde von vielen Evangelikalen positiv aufgenommen. Tim Challies kommentiert: »Collin Hansen lädt uns ein, an einer Entdeckungsreise teilzunehmen, bei der wir erkennen, wie unsere rastlose Jugend von neuem die großen Lehren des christlichen Glaubens entdeckt.« Der leitende Redakteur von Christianity Today, David Neff, ist überschwänglich in seinem Lob: »Collin Hansen hat eine frische Bewegung junger Christen entdeckt, für die die Lehre – insbesondere die calvinistische Lehre – die Evangelisation beflügelt, die Leidenschaft anfacht und das Leben verändert. Lesen Sie es und freuen Sie sich.«

In Großbritannien wurde Hansens Buch in so bekannten Magazinen wie Banner of Truth, Evangelical Times, Evangelicals Now und Reformation Today voller Enthusiasmus aufgenommen. Die Gospel Coalition hat Hansen zu ihrem Chefredakteur gemacht.

Peter Masters’ Rezension von Young, Restless, Reformed
Peter Masters hingegen, Pastor des Metropolitan Tabernacle, war sehr besorgt, als er Hansens Buch gelesen hatte, – … weil es einen ernsthaft verzerrten Calvinismus beschreibt, der weit, weit von einem authentischen Leben im Gehorsam gegenüber einem souveränen Gott entfernt ist. Wenn diese Art von Calvinismus Verbreitung findet, dann wird wahrhaftige biblische Frömmigkeit Angriffen ausgesetzt sein wie nie zuvor.«
Der Autor [Hansen] beginnt seine Beschreibung der Passion Conference in Atlanta im Jahre 2007, wo 21.000 junge Leute in zeitgenössicher Musik versunken waren und Sprecher wie John Piper hörten, die calvinistische Lehren verkündeten. Und dieses Bild taucht in dem Buch viele Male auf – große Konferenzen, die man als Mischung aus weltlicher, Aufsehen erregender, lauter, rhythmischer Musik und calvinistischer Lehre beschreiben kann. Dr. Peter Masters kommt zu dem Schluss:
Du kannst keine puritanische Soteriologie [Lehre vom Heil] ohne puritanische Heiligung haben. Du solltest die Menschen nicht mit den Verlockungen der Welt für die calvinistische Verkündigung zu begeistern versuchen. Wir hoffen, dass die jungen Leute in der Bewegung besser begreifen als ihre Lehrer, was die calvinistischen Lehren beinhalten, und keine Kompromisse mehr machen. Aber es bahnt sich Unheil an, wenn diese neue Form von Calvinismus Verbreitung findet.2
Um den Neuen Calvinismus zu verstehen, müssen wir die Lehren der vier einflussreichsten Männer in der Bewegung untersuchen:
1.) Tim Keller, Pastor der Redeemer Presbyterian Church in New York und zusammen mit Donald Carson Gründer der Gospel Coalition;
2.) Pastor John Piper von Desiring God Ministries, der von vielen als die zentrale Figur des Neuen Calvinismus
betrachtet wird;
3.) Pastor Mark Driscoll von der Mars Hill Church in Seattle, der den Ruf hat, als Pastor die meisten Downloads in der Geschichte erzielt zu haben;
4.) Dr. Albert Mohler, Präsident des Southern Baptist Theological Seminary.

Zunächst müssen wir auf die Gospel Coalition eingehen, eine Organisation, die an der vordersten Front des Neuen Calvinismus steht.

Die Gospel Coalition
Die Gospel Coalition wurde im Jahre 2007 ins Leben gerufen, und zwar von Dr. Donald A. Carson, Forschungsprofessor für Neues Testament an der Trinitiy Evangelical Divinity School in Illinois, der das Bekenntnis verfasste, und von Dr. Tim Keller, der eine theologische Abfassung über »die Berufung zum Dienst« herausbrachte. Mark Driscoll war ebenfalls bei der Gründung der Gospel Coalition beteiligt. Er war eingeladen, einem kleinen theologischen Treffen beizuwohnen, das von Carson und Keller geleitet wurde sowie von Pastoren einer Reihe bekannter evangelikaler Gemeinden wie Alistair Begg, Kent Hughes, Philip Ryken, Mark Dever, Ray Ortlund und Ligon Duncan.
Ferner waren Organisationen wie The Council on Biblical Manhood and Womanhood, Desiring God, Together for the Gospel, 9Marks, Alliance of Confessing Evangelicals, Sovereign Grace Ministries neben Acts 29 und The Resurgence beteiligt.
Die Vision der Gospel Coalition ist es, eine Bewegung zu schaffen, die langfristig das evangelikale Denken und Handeln sowohl in den USA als auch weltweit erneuern und reformieren kann. Hansen schreibt über das erste Treffen:

»Wie Carson mir heute mitteilte, wäre diese Gruppe vor fünf Jahren noch nicht zustande gekommen. Mache daraus, was du willst, aber es bewegt sich etwas in der evangelikalen Bewegung. Die Gospel Coalition versucht nichts weiter als die Rückkehr zum theologischen Konsens, wie er in den Tagen des Neoevangelikalismus unter der Führung von Billy Graham, Carl Henry, Harold John Ockenga und vielen anderen vorhanden war.«

Die Gospel Coalition will Pastoren und Theologen motivieren, sich zu einem sozialen Aktivismus zu verpflichten. Ihr theologisches Mission-Statement (»Theological Vision for Ministry«) besagt, dass sie Christen dazu bewegen wollen, eine Gegenkultur für das Allgemeinwohl zu werden. Das Praktizieren der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist ein wichtiger Aspekt der Gospel Coalition – das Dienen steht für sie im Mittelpunkt des Evangeliums.
»Die Auferstehung Jesu zeigt, dass er sowohl die spirituelle als auch die materielle Welt erlöst. Aus diesem Grund ist Gott nicht nur am Heil der Seelen interessiert, sondern auch an der Bekämpfung der Armut, des Hungers und der Ungerechtigkeit« (Theological Vision for Ministry, S. 13). In Wirklichkeit ist dies nichts weiter als das alte »Social Gospel«3, lediglich in die Sprache des Neuen Calvinismus gekleidet.

Kontextualisierung
Die Gospel Coalition beschäftigt sich mit der Frage, wie die Kirche zur Kultur steht und damit mit dem Thema der so genannten Kontextualisierung.
»Wir glauben, dass jeglicher Ausdruck des Christentums notwendigerweise und richtigerweise bis zu einem gewissen Grad in Bezug auf die jeweilige Kultur des Menschen kontextualisiert ist … Das Evangelium selbst hat den Schlüssel für die geeignete Kontextualisierung« (S. 10).
Die Gospel Coalition will bei der Verkündigung des Evangeliums die richtige Balance finden.

Wahrheit
Die Gospel Coalition propagiert, was sie als »›geläuterte‹ Korrespondenztheorie der Wahrheit« (chastened correspondence-theory of truth) bezeichnet, »die weniger triumphalistisch ist als der Evangelikalismus der Vergangenheit.
Die so genannte Korrespondenztheorie der Wahrheit ist ein philosophisches Konstrukt, welches argumentiert, dass »Wahrheit« stets das ist, was immer mit der Realität korrespondiert. Die Wahrheit korrespondiert mit den Fakten. Es handelt sich um ein traditionelles Modell, das auf die klassischen Philosophen Griechenlands wie Plato und Aristoteles zurückgeht. Dieses Modell wurde auch von vielen Philosophen des 18. Und 19. Jahrhunderts vertreten. Die Gospel Coalition hat ihrer »Theorie der Wahrheit« das Wort »geläutert« (chastened, so viele wie »durch Züchtigung zur Einsicht gelangt«) hinzugefügt. Damit will sie sagen, dass die christliche Gemeinde keine absolute Wahrheit verkünden kann, wie sie in der Schrift geoffenbart wurde, sondern lediglich eine »geläuterte« apologetische Version dessen, was Wahrheit sein könnte. Die absolute Wahrheit zu verkünden, wird abwertend als triumphalistisch bezeichnet und somit als etwas, das es auf jeden Fall zu meiden gilt.
Vielmehr sollen Christen demütig sein, wenn sie die Wahrheit verkünden, denn sie könnten sich irren. Aber das ist nicht das biblische Verständnis von Wahrheit. Die Gospel Coalition scheint sich für die absolute Wahrheit, die in Gottes Wort geoffenbart wurde und die von der Gemeinde gehütet wird, zu entschuldigen.

Zeitgenössicher Lobpreis
Die Gospel Coaltion hat sich völlig der zeitgenössischen Lobpreismusik verschrieben und viele ihrer Konferenzen beinhalten Hip-Hop-Konzerte. Ein Artikel von Collin Hansen mit dem Titel »The Hip-Hop Opportunity«(»Die Hip-Hop-Gelegenheit«), der auf der Webseite der Gospel Coaltion veröffentlicht wurde, beschreibt ein Hip-Hop-Konzert im Moody Bible Institute:
Die Zuhörer pulsierten vor jugendlicher Energie fast drei Stunden lang. Eine bunte Menge aus fast 2.000 Personen stand Schlange, lange bevor die Türen geöffnet wurden. Während des ausverkauften Konzerts sangen sie die bekannten Refrains und tanzten leidenschaftlich unter Vertrauten und neuen Freunden, die ihre Liebe zur Musik teilten. Aber die Botschaft war wichtiger als die Musik und sogar wichtiger als die Musiker des Abends. Und genau so wollten es alle … Das Konzert, bei dem Lecrae, Trip Lee, Sho Baraka, Tedashi, Pro und DJ Official auftraten, machte Jesus Christus zum Star der Show.
Eine Sache, welche die Neuen Calvinisten offensichtlich zusammenschweißt, ist ihre Hingabe an zeitgenössischen Lobpreis und »heiligen Hip-Hop«.

Die Lehre
Der Neue Calvinismus bietet ein breites Dach für lehrmäßige Freiheit, aber nicht für strittige Lehrfragen. Sowohl charismatische Praktiken als auch einige der Lehren der Emerging Church sind unter dem Dach des Neuen Calvinismus bereitwillig angenommen worden. Obwohl sie angeblich die Lehren Calvins vertreten, bekennen sich wenige zum Westminster Glaubensbekenntnis oder dem Baptistischen Glaubensbekenntnis von 1689. Wir werden sehen, dass die Lehren des Neuen Calvinismus wenig mit den Lehren der Gnaden des Calvinismus zu tun haben.

Neoevangelikalismus
Was diesen Punkt angeht, müssen wir die Beziehungen zwischen dem Neoevangelikalismus und dem Neuen Calvinismus verstehen. Die Vorstellungen des Neoevangelikalismus, die sich in den 1940er und 1950er Jahren entwickelten, richteten sich offen gegen die Glaubensüberzeugungen des Fundamentalismus und strebten einen liberaleren, angepassteren Glauben an, der sich nicht von ungesunder Lehre distanzierte. Die Führer der Neoevangelikalen waren Dr. Harold Ockenga, der den Begriff Neoevangelikalismus schuf, und der Theologe Dr. Carl Henry. Im Jahre 1956 begann Henry unter dem Drängen und mit Hilfe von Billy Graham mit der Herausgabe der Zeitschrift Christianity Today, die zum Sprachrohr der Neoevangelikalen wurde und derzeit zum Sprachrohr der Neuen Calvinisten wird.
Der Neoevangelikalismus zeichnet sich durch vier Eigenschaften aus:
Erstens, er hatte eine niedrige Sicht von der Heiligen Schrift und er machte Kompromisse in Bezug auf ihre Irrtumslosigkeit. Der Neue Calvinismus ist, wie wir sehen werden, ebenso leichtfertig und ehrfurchtslos bezüglich der Schrift.
Zweitens machte der Neoevangelikalismus Kompromisse, wenn es darum ging, sich von falscher Lehre zu trennen, und er strebte Allianzen mit allen an, die sich als Christen bezeichneten, was auch immer sie glaubten. Der Neue Calvinismus ist weitgehend ebenso ökumenisch ausgerichtet.
Drittens suchte der Neoevangelikalismus nach Anerkennung durch die Welt und nach intellektueller Respektabilität. Der Neue Calvinismus ist sogar noch weltlicher, was sein Verlangen und sein Verhalten angeht.
Viertens fügte der Neoevangelikalismus dem Evangelium der Wahrheit den sozialen Aktivismus hinzu. Auch der Neue Calvinismus fördert sozialen Aktivismus.

Weltweiter Einfluss
Der Einfluss der Neuen Calvinisten erstreckt sich mittlerweile weltweit. In Großbritannien gibt es zwar keine Organisation der Neuen Calvinisten als solche, doch gewinnen die Vorstellungen und Praktiken dort schnell an Boden. Besonders drei der einflussreichsten Vertreter des Neuen Calvinismus – Tim Keller, John Piper und Mark Driscoll – sind in Großbritannien äußerst populär. Mark Driscoll ist so populär, dass er 2011 von einer Gruppe evangelikaler Leiter zur London Men’s Convention eingeladen wurde.
Tim Keller pflegt enge Verbindungen zum Proclamation Trust in Großbritannien und wurde eingeladen, auf drei Konferenzen der Anglican Evangelical Ministry Assembly in den Jahren 2004, 2007 und 2011 zu sprechen; Keller referierte darüber, wie die Verkündigung sowohl eine zeitgenössische Anwendung haben (mittels Kontextualisierung), als auch im rechtgläubigen Christentum verwurzelt sein kann.

Tim Keller – der intellektuelle Riese des Neuen Calvinismus
Tim Keller ist eine Säule des Neuen Calvinismus. Als Hauptpastor der Redeemer Presbyterian Church in New York stellt er sich als Vertreter des reformierten Christentums dar. Newsweek bezeichnete ihn als den »C. S. Lewis des 21. Jahrhunderts«. Er wird von vielen als ein großer Intellektueller betrachtet, als Experte für christliche Apologetik, als jemand, der schlagfertig ist, um die Wahrheit des Christentums in einer postmodernen Welt aufzuzeigen. In einer seiner Predigten hilft Keller seinen Zuhörern, Jesus Christus als »existentiell erquickend« und »intellektuell glaubwürdig« zu sehen.
Tim Keller ist Bestsellerautor und populärer Konferenzsprecher. Er hat eine Reihe von Büchern geschrieben, einschließlich The Reason for God (2008), das es unter die Top-Ten der Bestsellerliste der New York Times schaffte (dt. Ausgabe: Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit? Brunnen-Verlag, Gießen, 4. Aufl. 2012). Er wird in evangelikalen Kreisen so hoch geschätzt, dass er einer der Hauptredner beim 3. Lausanner Weltkongress für Evangelisation in Kapstadt im Jahre 2010 war. Er hielt auch die Laudatio bei John Stotts Gedenkgottesdienst in den USA.
Unter Kellers Führung ist die Redeemer Presbyterian Church mittlerweile auf ca. 5.000 Mitglieder angewachsen. Redeemer City to City ist eine weltweite Gemeindegründungsbewegung. Das Netzwerk umfasst etwa 150 Gemeinden, die sich in den USA und anderen Ländern auf der ganzen Welt befinden. Von denjenigen, die sich Redeemer City to City anschließen, wird erwartet, dass sie Kellers Philosophie, seine Bücher, Predigten und Artikel weiterverbreiten. In einem Artikel mit dem Titel »Coming Together on Culture« (»Austauschforum für Kultur«) schrieb Keller, dass es das wichtigste ist, den Leuten, die in die Gemeinde kommen, zu sagen, dass sie erstens an Jesus glauben und zweitens Gerechtigkeit ausüben sollen.4
Trotz Kellers großer Reputation und Popularität unter evangelikalen Christen müssen wir das Evangelium, das er verkündet, gründlich unter die Lupe nehmen.

Kellers theistische Evolution
Tim Keller vertritt überzeugt die von ihm so bezeichnete »progressive Evolution«. In seinem Buch The Reason for God (2008) versucht Keller den Christen zu helfen, ihre Zweifel abzulegen, indem er sie von der »Wahrheit« der theistischen Evolution zu überzeugen sucht. Diese Theorie ermöglicht es Christen, sowohl an die Schöpfung als auch an die Evolution zu glauben.
Nach Kellers Auffassung steht es außer Frage, dass die wissenschaftliche Evolutionstheorie wahr ist, und so muss die Bibel der »Wahrheit« der Wissenschaft angepasst werden. Keller tut dies, indem er das erste Kapitel von 1. Mose als Gedicht versteht, das daher nicht wörtlich genommen werden könne. Er schreibt:
Ich denke, dass 1. Mose die Merkmale von Poesie aufweist und somit ein »Lied« über die Wunder und die Bedeutung der Schöpfung Gottes ist … Gott steuerte eine Art Prozess natürlicher Selektion, und dennoch lehne ich die Vorstellung einer Evolution als allumfassende Theorie ab.5
Als er aufgefordert wurde, die offenkundigen Widersprüche seiner theistischen Evolutionstheorie aufzuklären, erwiderte Keller:

Wie konnte es den Tod geben, bevor Adam und Eva in Sünde fielen? Die Antwort ist, ich weiß es nicht. Aber alles, was ich weiß, ist: Fressen Tiere nicht Käfer? Und fressen Käfer nicht Pflanzen? Der Tod muss existiert haben. Mit anderen Worten, wenn Sie verstehen, oh, einen Moment, das ist wirklich kompliziert …6

Keller räumt offen ein, dass seine Darstellung der theistischen Evolution verwirrend ist. Und weil er erkennt, dass seine theistische Evolutionstheorie unlösbare Schwierigkeiten aufwirft, sagt er, dass er – wie er es bezeichnet – eine »chaotische« Herangehensweise bevorzugt.

Kellers Sicht der Errettung
Im Jahre 2006 brachte Keller im Zuge der Veranstaltung Entrepreneur’s Forum in der Redeemer Church sein Missfallen über konservative Christen zum Ausdruck. Er meint:

Konservative Gemeinden sagen: »Diese Welt ist nicht unsere Heimat – sie wird letztlich vergehen, und auf was es wirklich ankommt, ist, Seelen zu erretten … also Evangelisation und Jüngerschaft und die Errettung von Seelen ist das, was wichtig ist.« Und wir [Kellers Gemeinde] versuchen zu sagen, dass es fast andersherum ist, dass es das Ziel der Errettung ist, die Schöpfung zu erneuern, dass diese Welt in sich selbst gut ist …7

In The Reason for God (dt. Warum Gott?) führt Keller dies weiter aus:

Beim Christentum geht es nicht nur darum, dass unsere individuellen Sünden vergeben werden, damit wir in den Himmel kommen. Das ist ein wichtiges Ziel von Gottes Errettung, aber nicht das letztgültige Ziel oder die endgültige Absicht. Der Grund für das Kommen Jesu ist, die ganze Welt in Ordnung zu bringen, sie zu erneuern und die Schöpfung wiederherzustellen, und nicht ihr zu entfliehen. Es geht nicht nur darum, persönliche Vergebung und Frieden zu erlangen, sondern auch darum, der Welt Gerechtigkeit und Schalom-Frieden zu bringen … Das Werk des Geistes Gottes besteht nicht ausschließlich darin, Seelen zu erretten, sondern auch darin, das Angesicht der Erde, die materielle Welt, zu verbessern und zu kultivieren … Kurz gesagt, das christliche Leben will nicht nur die christliche Gemeinschaft bauen, indem sie die Menschen ermutigt, Christus im Glauben anzunehmen, sondern sie will die menschliche Gemeinschaft erbauen durch Taten der Gerechtigkeit und durch das Dienen. (S. 223-225)

Wiedergeborene Fanatiker
Keller bringt sein Missfallen an jenen zum Ausdruck, die er als christliche Fanatiker bezeichnet. Er sagt, für den Durchschnittsmenschen sei der Schatten des Fanatismus das größte Hindernis für den christlichen Glauben.
Viele Ungläubige haben Freunde oder Verwandte, die »eine Wiedergeburt erlebt« haben und scheinbar extrem geworden sind. Bald bringen sie lauthals ihre Abneigung gegen verschiedene Gruppen und Teile unserer Gesellschaft zum Ausdruck – insbesondere gegen Kino und Fernsehen, gegen die Demokraten, gegen Homosexuelle, gegen Vertreter der Evolutionstheorie … Wenn sie für die Wahrheit argumentieren, erscheinen sie oft intolerant und selbstgerecht. Das würden viele Menschen als Fanatismus bezeichnen. (S. 56-57)
Keller meint, dass diese wiedergeborenen Christen »anmaßend, selbstgerecht, rechthaberisch, unsensibel und barsch« sind. Er scheint sehr irritiert zu sein über jene, die wiedergeboren sind, das Böse verurteilen und für Gerechtigkeit einstehen. Der sehr tolerante Keller erscheint gegenüber den wiedergeborenen Christen als intolerant.

Das Veritas-Forum
Im August 2011 wurde Keller vom Veritas-Forum, einer US-amerikanischen Gruppe von Uni-Dozenten, Akademikern und Studenten, eingeladen, um über die Themen seines Buches The Reason for God zu sprechen. Keller wurde von dem NBC-Journalisten Martin Bashir interviewt und präsentierte seine intellektuellen Argumente, die für den Glauben an Gott sprechen.
Das Interview ist online verfügbar8 und wurde von vielen Tausenden von Menschen gehört. Keller wurde gefragt, ob Jesus Christus der einzige Weg zu Gott ist.
Bashir: »Ich spreche von den Millionen von Moslems, Sikhs und Juden, die von Jesus gehört haben. Wo bleiben diese nach Ihrer These?«
Keller antwortete:

Wenn es eine Hintertür gibt, wurde es mir nicht mitgeteilt. Wenn Jesus ist, was er sagt, dass er es ist, dann können sie langfristig gesehen Gott nicht ihr Eigen nennen. Auf der anderen Seite … alles, was immer ich dazu sagen kann, ist, dass Gott mir als einem Verkündiger mit der Heiligen Schrift Informationen nur so weit gibt, wie ich sie wissen muss … Wenn ein Mensch hier und jetzt Gott nicht hat, dann muss er ihn annehmen. Wenn sie sterben und Jesus Christus nicht haben, ich weiß nicht… Ich weiß gewiss, dass Gott weiser ist als ich, barmherziger ist als ich, und ich weiß, dass, wenn ich einmal erkennen werde, wie Gott mit jeder einzelnen Seele verfährt, dann werde ich keine Fragen mehr haben …

Gedrängt von Bashir, etwas über Angehörige anderer Religionen zu sagen, erwiderte Keller:

Menschen anderer Religionen – ich weiß von keinem anderen Weg, es sei denn, sie finden Christus. Aber ich bekomme meine Informationen auch nur so weit ich sie unbedingt wissen muss; wenn es also eine Hintertür gibt oder etwas Ähnliches, dann wurde es mir nicht gesagt.

Keller sagt, dass die Seele »Jesus bekommen« muss, damit jemand Christ wird. Vor einer großen Zuhörerschaft macht er die bemerkenswerte Aussage, dass Gott möglicherweise eine Hintertür für Ungläubige hat, über die Gott uns nichts gesagt hat. Keller vermutet, dass Gott tatsächlich einen Geheimweg in den Himmel haben könnte für all jene, die nicht Buße tun und an Christus glauben. Aber Kellers Hintertür ist unbiblisch und zutiefst häretisch, denn dann wäre Christus umsonst gestorben.
Und als letzter Schock: Keller sagt, dass er nicht weiß, was mit Ungläubigen geschieht, die ohne Christus sterben. Er sagt: »Wenn sie sterben und Jesus Christus nicht haben, ich weiß nicht« was mit ihnen geschieht. Aber wie kann er sagen, dass er es nicht weiß, wenn die Bibel doch klar ist? »Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; und wer nicht an den Sohn glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm« (Joh 3,36). Man beachte, dass er bei der Antwort auf Bashirs Fragen nicht die Bibel zitiert.

Kellers Affinität zu Rom
In The Reason for God sucht Keller bei der römischen Kirche Unterstützung für die theistische Evolution:

»Zum Beispiel hat sich die katholische Kirche, die größte Kirche in der Welt, öffentlich für die Vereinbarkeit der Evolutionslehre mit dem christlichen Glauben ausgesprochen« (S. 87).

Kellers Definition des Christentums schließt zudem die östlich-orthodoxen Kirchen, die römisch-katholische Kirche und alle protestantischen Kirchen ein, die die traditionellen Glaubensbekenntnisse wie das Apostolische Glaubensbekenntnis akzeptieren:

»Was ist das Christentum? Für unsere Zwecke definiere ich Christentum als den Leib der Gläubigen, die alle diese großen ökumenischen Glaubensbekenntnisse anerkennen … Ich argumentiere in diesem Buch für die Wahrheit des Christentums im Allgemeinen – nicht für einen einzelnen Standpunkt« (S. 116 -117).

Die beiden angeführten Zitate verdeutlichen, dass Keller keinen Unterschied zwischen dem protestantischen und römisch-katholischen Glauben macht – er behauptet, die gesamte Christenheit zu verteidigen einschließlich der römisch-katholischen Kirche.

Die katholische Autorin Mary Flannery O’Connor
Keller schreibt, dass er die Wege von Gottes Gnade in »Hunderten bekannter Biographien geistlicher Personen aufzeigen könnte wie zum Beispiel Paulus, Augustinus, Martin Luther, John Wesley … Aber mein Lieblingsbeispiel in Bezug auf das Trauma der Gnade ist das von Mary Flannery O’Connor mit ihrer Kurzgeschichte Revelation.« (S. 237)
Nach einer zwei Seiten langen Zusammenfassung von O’Connors Kurzgeschichte zieht er folgenden Schluss: »Was für eine radikale Vorstellung! Die ›Freaks und Verrückten‹ kommen vor den moralisch Aufrichtigen in den Himmel!?« (S. 240).
Drei weitere Male zitiert Keller noch die Schriften von Mary Flannery O’Connor. Die New World Encyclopedia beschreibt Mary Flannery O’Connor als eine Frau, die ihr Leben lang römisch-katholisch war und deren Schriften sehr stark auf der Sakramentenlehre beruhten.

»Sie schrieb ironische, subtil allegorische Fiktionen über moralisch fehlerhafte Charaktere aus dem Süden der USA, gewöhnlich fundamentalistische Protestanten, die einen Charakterwandel durchlebten, der sie aus O’Connors Sicht dem katholischen Denken näher brachte …«9

Die Tatsache, dass Keller die Schriften O’Connors auswählt, um die Bedeutung der Gnade zu erklären, sagt viel über seine Theologie aus. Statt aus dem riesigen Ozean der reformierten Literatur zu schöpfen, welche die Errettung aus Gnade allein und durch Glauben allein erklärt, zieht Keller eine katholische Schriftstellerin heran, die durch ihre Karikaturen fundamentalistischer Protestanten den reformierten Glauben subtil unterwandert.
Keller zitiert katholische Prominente wie Malcolm Muggeridge, G. K. Chesterton und J. R. Tolkien, um seine theologischen und philosophischen Argumente zu untermauern. In seinem Interview mit dem Magazin First Things, eines der bekanntesten katholischen Magazine der USA, sagt Keller:
»Ich will nicht nur eine Art von Christentum verteidigen. Ich denke, ich will das Apostolische Glaubensbekenntnis verteidigen.«
Er möchte, dass Ungläubige das Apostolische Glaubensbekenntnis akzeptieren und sich dann überlegen, wohin ihre Reise gehen soll. In diesem Interview wurde deutlich, dass es Kellers Ziel ist, das zu verteidigen, was er als »gesamten Glauben« (whole Faith) bezeichnet, und das, so seine Vorstellung, schließt die Kirche Roms ein. Im Grunde hat Keller die Reformation damit als null und nichtig erklärt.

Mystizismus in Kellers Gemeinde
Die Frucht von Kellers Annäherung an den Katholizismus ist seine Förderung katholischer mystischer Praktiken in seiner Redeemer Church. 2009 gab es in Kellers presbyterianischer Gemeinde eine Vortragsreihe darüber, wie man den »Weg der Mönche« (The Way of the Monk) geht – eine Methode des Gebets und der Anbetung auf Grundlage katholischer Mystik.
Die Webseite der Redeemer Church erklärt die katholische Meditationstechnik Lectio Divina und enthält ferner Ratschläge zu den Geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola, dem Gründer der Jesuiten. Zitat: »Loyolas Methoden, wie sie in seinem Buch Geistliche Übungen niedergeschrieben wurden, werden seit Jahrhunderten praktiziert. Keller ermutigt seine Anhänger, die Schrift mit allen fünf Sinnen zu erfahren: Sehen, hören, schmecken, tasten und riechen.10
Eine Frau aus Kellers Gemeinde war so beunruhigt, dass sie schrieb:

Letzten Endes musste ich die Redeemer Church verlassen, weil ich erfuhr, dass sie Unterricht erteilt, wie man auf der Grundlage der Lectio Divina betet, wie man eine kontemplative Gebetsmeditation praktiziert und wie man sogar ein »eigenes Privatkloster« einrichtet (die Veranstaltung wurde The Way of the Monk genannt). Dies ging mir definitiv gegen den Strich, und ich schrieb vor einigen Monaten einen Brief mit meinen Bedenken an die Pastoren und Ältesten der Gemeinde, habe jedoch bis heute keine Antwort erhalten.11

Das Evangelium und die Kultur
Kellers Buch Generous Justice (2010, dt. Warum Gerechtigkeit?, Brunnen Verlag 2012) ist eine Kampfschrift für sozialen Aktivismus. Um zu bekräftigen, dass Gott auf der Seite der Armen steht, zitiert Keller Gustavo Gutierrez, einen Dominikanerpriester und Autor des Buches A Theology of Liberation (1971; dt. Theologie der Befreiung, Kreuz Verlag) – Gutierrez gilt als Vater der Befreiungstheologie. Doch Keller erwähnt an keiner Stelle, dass Gutierrez ein katholischer Theologe ist. Keller erklärt, was er unter Gerechtigkeit versteht, und dies bedeutet für ihn, den Armen zu helfen. Er argumentiert: »Wenn es wahr ist, dass Gerechtigkeit und Barmherzigkeit für die Armen die unvermeidlichen Zeichen des rechtfertigenden Glaubens« darstellen, dann hat die christliche Gemeinde als Ganzes eine Verpflichtung gegenüber den Armen. Er kommt zu dem Schluss:

»Ein Leben, das sich der Gerechtigkeit für die Armen verschreibt, ist das unvermeidliche Zeichen jeden realen, wahren Glaubens an das Evangelium« (S. 189).

Kontextualisierung des Evangeliums
Keller betont, wie wichtig es ist, das Evangelium »kultursensibel« zu machen. Er geht davon aus, dass der Widerstand des Menschen gegen das Evangelium grundsätzlich kulturell bedingt sei. Aus diesem Grunde, so Keller, muss das Evangelium – in Verbindung mit den basalsten kulturellen Vorstellungen präsentiert werden – Jesus muss die Antwort auf alle Fragen sein, die von der Kultur gestellt werden. Vergessen Sie nicht – jegliche Präsentation des Evangeliums stellt Jesus als die Antwort auf eine menschlich-kulturelle Frage vor … jegliche Präsentation des Evangeliums muss kulturell inkarniert sein, sie muss einige übergeordnete kulturelle Anliegen beinhalten … Das Christentum muss die Antwort auf die wichtigsten Fragen und Sehnsüchte unserer Kultur sein.12
Bei der Präsentation des Evangeliums, so Keller, müssen wir die Frage beantworten:
Wie wird die Welt in Ordnung gebracht? Und wir müssen erklären, wie wir selbst Teil davon sein können, die Welt in Ordnung zu bringen. Kellers Theologie kann mit seinen eigenen Worten zusammengefasst werden: »Das primäre Ziel der Errettung ist – kulturelle Erneuerung – die Welt zu einem besseren Ort zu machen.« Diese Vorstellung nimmt in allen Lehren Kellers einen zentralen Platz ein.

Fazit
Dr. Tim Keller ist ein großer Name in der Bewegung des Neuen Calvinismus. Seine Lehren werden in Großbritannien auf breiter Ebene bekannt gemacht durch The Gospel Coalition, Redeemer Network, Proclamation Trust sowie durch Konferenzen in der ganzen Welt. Während er den Ruf genießt, ein Vertreter eines gesunden Protestantismus zu sein, folgt er in Wahrheit nicht den rechtgläubigen Lehren des reformierten Glaubens. Er macht sich eine pseudointellektuelle, philosophische Methode zunutze, um ein menschengemachtes Evangelium zu propagieren. Er verbreitet eine Version des Evangeliums, die weit von der biblischen Wahrheit entfernt ist.
Wir haben gesehen, dass Keller sich einerseits sehr ökumenisch gibt und große Sympathien für den Katholizismus zeigt, aber sich anderseits irritiert gibt vom »Fanatismus« derer, die sich als wiedergeborene Christen betrachten. Wie die Neoevangelikalen hat er eine niedere Sicht der Schrift, was ihm ermöglicht, die Lehre der theistischen Evolution zu verbreiten. Er versucht, das Evangelium zu kontextualisieren, damit es in der jeweiligen Kultur akzeptiert wird. Er versucht, Evangelisation mit sozialem Aktivismus zu verbinden. Er ist der Prototyp eines Neuen Calvinisten, der im Grunde die Reformation verworfen hat.
Der Apostel Paulus warnte vor den Gefahren durch jene, die philosophische Vorstellungen im Namen des christlichen Glaubens verbreiteten.

»Habt Acht, dass euch niemand beraubt durch die Philosophie und leeren Betrug, gemäß der Überlieferung der Menschen, gemäß den Grundsätzen der Welt und nicht Christus gemäß. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig; und ihr seid zur Fülle gebracht in ihm, der das Haupt jeder Herrschaft und Gewalt ist« (Kol 2,8-10). Wir dürfen uns nicht von leerem Betrug und der menschengemachten Philosophien des Neuen Calvinismus gefangen nehmen lassen, der lediglich ein Lippenbekenntnis zu den Lehren der Reformation hat. Vielmehr sollen wir an der gesunden biblischen Lehre festhalten.

Dr.E.S. Williams
Teil 2: John Piper, Mark Driscoll und Albert Mohler

Bisher haben wir gesehen, dass der Neue Calvinismus sich nicht immer an die Lehren des reformierten Glaubens hält, obgleich er von sich behauptet, die Lehren Calvins zu vertreten. Wir haben gesehen, dass die Gospel Coalition, das Flaggschiff des Neuen Calvinismus, einen ökumenischen Kurs fährt. Dr. Tim Keller, der intellektuelle Gigant des Neuen Calvinismus und Mitbegründer der Gospel Coalition, definiert das Christentum als Menge aller Gläubigen, die den großen ökumenischen Glaubensbekenntnissen zustimmen, einschließlich der Katholiken.
Ein weiteres Merkmal des Neuen Calvinismus ist die Kombination von Evangelisation mit sozialem Aktivismus. Die Gospel Coalition glaubt, dass das Evangelium kontextualisiert werden muss, um es für die moderne Kultur relevant zu machen. Außerdem haben wir gesehen, dass die Neuen Calvinisten eine Leidenschaft für moderne Anbetungsmusik haben.
Jetzt wollen wir auf die drei Männer eingehen, die in der Bewegung des Neuen Calvinismus einen enormen Einfluss ausüben: John Piper von Desiring God Ministries, Mark Driscoll von der Mars Hill Church und Gründer von Acts 29, einem Gemeindegründungsnetzwerk, sowie Albert Mohler, Präsident des Southern Baptist Theological Seminary in Louisville, Kentucky.

Wer ist John Piper?
John Piper ist der redegewandte Prediger, der im Zentrum der Bewegung des Neuen Calvinismus steht. Seine buchstäblich »charismatische« Persönlichkeit und sein kraftvoller, rhetorisch geschickter Predigtstil üben extrem großen Einfluss auf junge Evangelikale aus. Piper hat den Ruf, ein Fünf-Punkte-Calvinist zu sein. Seine Webseite Desiring God bestätigt dies:

»Wir begannen als bibelgläubige Christen, die die Bibel über alle Gedankensysteme erhebt. Aber im Lauf der Jahre haben wir unsere Überzeugung vertieft, dass die calvinistischen Lehren über die fünf Punkte biblisch und folglich wahr sind.«13

Pipers Bestseller Desiring God: Meditations of a Christian Hedonist (1986; dt. Titel: Sehnsucht nach Gott: Leben als christlicher Genießer, 3L Verlag 2005) erhebt den Anspruch, seine Leser in eine andere und freudige Erfahrung ihres Glaubens zu leiten. Das Buch wurde als ein lebensverändernder Klassiker des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Einige Rezensionen besagen, dass Desiring God neben der Bibel eines der Bücher ist, das wie kein anderes das Leben seiner Leser verändert hat. Der Begriff »Desiring God« ist so attraktiv, dass unter diesem Markennamen seine Vision eines christlichen Hedonismus erfolgreich vermarkten konnte [Hedonismus ist die Anschauung, die Lust sei der Sinn des Lebens]. Das Buch ist so einflussreich, dass Piper kürzlich dessen 25-jähriges Jubiläum gefeiert hat [durch die Herausgabe einer Sonderedition].
Piper ist ein hoch geschätzter Konferenzredner und Hauptredner der jährlichen Passion Conference, die von vielen Tausenden Studenten und jungen Leuten besucht wird. Er war auch als Redner einer Sitzung des 3. Lausanner Kongresses in Kapstadt (2010) eingeladen, eine der größten Zusammenkünfte evangelikaler Leiter in der Kirchengeschichte.
Pipers jährliche Desiring God-Konferenz zieht Referenten eines breiten theologischen Spektrums an. 2007 sprach Piper bei der Eröffnung der Gospel Coalition, der er angehört. Trotz seiner großen Popularität gibt es viele Punkte in Pipers Dienst, die dem reformierten Glauben, für den er angeblich steht, widersprechen.

Eine ungesunde Grundlage
Drei wichtige Einflüsse haben Pipers Denken und Theologie beeinflusst.

Daniel Fuller – eingeschränkte Inspiration der Schrift
Erstens: John Piper studierte am Fuller Theological Seminary und betont den wichtigen Einfluss des Fuller Seminars auf sein theologisches Denken, obgleich das Seminar eine ungesunde Sicht der Schrift [eingeschränkte Irrtumslosigkeit] und liberale Tendenzen vertritt. In seinem Buch Desiring God erläutert Piper: »Nahezu alles, was ich tue, trägt den Stempel von Daniel P. Fuller« (S. 10). Piper räumt offen den Einfluss des Fuller Seminars auf sein Denken ein, obwohl die Position des Fuller Seminars zur Bibel bereits Ende der 1960er Jahre einen fatalen Mittelweg eingeschlagen hatte: Die »eingeschränkte Irrtumslosigkeit« war die vorherrschende Sicht des Fuller Seminars. Daniel Fuller, Dekan des Seminars, förderte, was man als Teilinspiration der Schrift bezeichnen könnte.14 Er argumentierte, dass die Bibel zwei Arten von Schriften enthält – »offenbarende« (revelational) Schrift, die vollständig irrtumslos ist und »nicht-offenbarende« (non-revelational) Schrift, die nicht irrtumslos ist.15 Piper ist zweifellos das Produkt von Fullers liberalem Kompromiss.

Blaise Pascal – Menschliche Philosophie
Der zweite Einfluss stammt von dem katholischen Philosophen Blaise Pascal. Während seines Studiums am Fuller Seminar wurde Piper in die Philosophie Pascals eingeführt, der erklärte: »Alle Menschen suchen nach Glück. Darin gibt es keine Ausnahme.« Piper entwickelte daraus die Theorie des christlichen Hedonismus und suchte in der Bibel nach Versen, die Pascals Theorie zu bestätigen schienen. Dabei beging er einen kapitalen Fehler, denn er begann mit den Vorstellungen eines Menschen und untersuchte erst dann die Bibel mit dem Ziel, sein philosophisches System zu untermauern.
Aber dies ist der falsche Weg – gesundes christliches Denken beginnt immer bei Gottes Wort, nicht bei den Vorstellungen der Menschen. »Verflucht ist der Mann, der auf Menschen vertraut« (Jer 17,5).

C. S. Lewis – Christlicher Mystizismus
Der dritte Einfluss auf Piper kommt von C. S. Lewis. Pipers Liebe zu den Werken von C. S. Lewis nahm im Laufe der Zeit zu, und eine Predigt von Lewis, The Weight of Glory (dt. Das Gewicht der Herrlichkeit), machte einen besonders tiefen Eindruck auf ihn.

»Niemals zuvor in meinem Leben hatte ich einen Christen, geschweige denn einen Christen vom Format eines Lewis, sagen hören, dass wir alle nicht nur (wie Pascal sagte) nach unserem Glück suchen, sondern dass wir unser Glück sogar suchen sollen« (Desiring God, S. 20).

Aber C. S. Lewis, der Professor von Oxford, war keine geistlich gesunde Leitfigur, denn er hatte ein verzerrtes Verständnis des christlichen Glaubens. Er lehnte die Irrtumslosigkeit der Schrift und die Rechtfertigung aus Glauben allein ebenso ab wie die Lehre der völligen Verdorbenheit des Menschen und der Souveränität Gottes.16 Lewis lehrte und glaubte an das Fegefeuer, betete für Verstorbene und viele seiner Werke sind sehr mystisch geprägt.

Pipers Streben nach Glück
Auf der Grundlage der Gedanken von Pascal und C. S. Lewis entwickelte Piper eine Lebensphilosophie, die er als »christlichen Hedonismus« bezeichnet. In seinem Buch Desiring God erläutert er:

»Alle diese Jahre versuchte ich mein großes Verlangen nach Glück zu unterdrücken, um Gott aufrichtig in einer ›höheren‹, weniger selbstsüchtigen Weise anbeten zu können. Aber dann begann es mir zu dämmern, dass dieses anhaltende und unbestreitbare Sehnen nach Glück nicht unterdrückt, sondern gestillt werden sollte – bei Gott« (S. 21).

Pipers großes Verlangen nach Glück musste genährt und kultiviert werden, und Gott musste die Quelle sein, die sein Verlangen stillte. Es überrascht folglich nicht, dass der Bibelstellenindex des Buches 20 Schriftstellen über Glück anführt, aber nur eine über Heiligkeit.
An dieser Stelle sollten wir anmerken, dass es das natürliche, nicht wiedergeborene Herz ist, das Glück als das wichtigste Ziel im Leben betrachtet. Paulus betete, dass die Heiligen in Kolossä danach verlangen, »mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt zu werden in aller geistlichen Weisheit und Einsicht, damit sie des Herrn würdig wandeln und ihm in allem wohlgefällig sind: in jedem guten Werk fruchtbar und in der Erkenntnis Gottes wachsend« (Kol 1,9-10).
Pipers fehlerhafte Theologie ermöglichte es ihm, menschliche Philosophie mit dem christlichen Glauben zu vermischen, und das Resultat war der christliche Hedonismus und die Marke Desiring God, eine der treibenden Kräfte des Neuen Calvinismus.
Pipers Art und Weise, mit der Schrift umzugehen, ist enttäuschend. Bei seinem Versuch aufzuzeigen, dass die Bibel Christen nicht nur ermuntert, sondern sogar gebietet, Hedonisten zu werden, zitiert er halbe Verse und
missachtet ihren Zusammenhang, sodass sie ihren wahren Sinn verlieren. Allein Belegstellen anzuführen, ist keine gesunde Herangehensweise, um eine Lebensphilosophie zu schaffen. Dr. Masters schreibt in einer Rezension des Buches Desiring God, dass Pipers Gedankensystem dazu führt, die biblische Lehre der Heiligung zu verzerren.

Der Irrsinn der modernen Musikszene
Pipers Dienst räumt der modernen, weltlichen, ehrfurchtslosen Lobpreismusik viel Raum ein. Seine jährlichen Konferenzen (Desiring God National Conference) fördern den modernen Lobpreis. Piper ist eng mit der Passion Conference verbunden, einem großen Treffen junger Leute, die sich der modernen Musikszene widmen. Jedes Jahr predigt Piper zu Tausenden von jungen Leuten, die von lauter, rhythmischer Musik, Lichtorgeln und energiegeladenen Rap-Künstlern unterhalten werden.
Piper befürwortet auch die »heilige Hip-Hop«-Szene. Offen demonstrierte er seine Unterstützung für diese Musik dadurch, dass er den populären Rap-Künstler Lecrae einlud, um bei einem Gottesdienst aufzutreten. Der Rap-Künstler erhielt stehende Ovationen von der begeisterten Menge. Die Beziehung zwischen Piper und dem Rapper Lecrae ist so eng, dass ihre Organisationen, Desiring God und Reach Records, zusammengearbeitet haben, um »heilige Hip-Hop« DVDs zu produzieren.

Piper mag Rick Warren wirklich
Im Jahre 2010 lud Piper Rick Warren ein, um auf der Desiring God National Conference zu sprechen. Piper begründete dies mit der Aussage:

»Ich denke, dass er [Warren] ein tiefgründiger Theologe ist, er ist ein brillanter Mann … So denke ich nicht, dass er emergent ist; im Grunde denke ich, dass er theologisch und lehrmäßig gesund ist.«

Im Jahre 2011 setzten sich Piper und Warren in den Studios von Rick Warrens Saddleback Church zusammen, um die Lehren in Warrens Buch Leben mit Vision (2002) zu diskutieren; Piper sagt, dass dieses Buch von den meisten reformierten Theologen schlechtgemacht wurde. Piper sagt: »Offen gesagt, ich bin erschüttert über die Verunglimpfungen, die gegen dieses Buch verbreitet wurden …«17
Aufgrund seiner Position als christliche Führungsperson hat Piper Christen davon zu überzeugen versucht, dass Rick Warren fehlinterpretiert und missverstanden wurde. Die Beziehung zwischen Piper und Warren ist so eng, dass eine regionale Desiring God-Konferenz in Warrens Saddleback Church in Kalifornien abgehalten wurde.
John Piper ist zweifelsohne eine zentrale Person im Neuen Calvinismus. Er hat sein Werk Desiring God dazu gebraucht, um seine falsche Philosophie des christlichen Hedonismus zu verbreiten. Er fördert ferner die moderne, ehrfurchtslose, weltliche Lobpreismusik und sogar den »heiligen Hip-Hop«. Er ist ökumenisch orientiert und unternimmt keine Anstrengungen, das Wahre vom Falschen zu trennen.

Wer ist Mark Driscoll?
Mark Driscoll, Pastor der Megagemeinde Mars Hill Church in Seattle und Mitbegründer von Acts 29, einem Gemeindegründungsnetzwerk, ist einer der einflussreichsten Männer des Neuen Calvinismus. Er hat den Ruf, einer der Pastoren zu sein, die weltweit am meisten zitiert werden und die am meisten Downloads vorzuweisen haben. Das Magazin Preaching zählte Driscoll zu den 25 einflussreichsten Pastoren der letzten 25 Jahre.
Das Netzwerk Acts 29 (»Apostelgeschichte 29«), das über 400 Gemeinden gegründet hat, ist in Großbritannien und weiteren dreizehn Nationen aktiv. Driscoll hat auch The Resurgence gegründet, einen Zusammenschluss von Theologen, die mit den Gemeindegründern von Acts 29 zusammenarbeiten, um Material für die Gemeinden bereitzustellen. Driscoll spricht auf Konferenzen in den USA und in der ganzen Welt. Im Mai 2011 wurde er von evangelikalen Christen in Großbritannien eingeladen, um in der Londoner Royal Albert Hall vor 4.000 Menschen zur Men’s Convention zu sprechen. Er war Mitglied der Gospel Coalition, bis er kürzlich zurücktrat.
Driscoll sagt von sich, dass er ein fester Bestandteil des calvinistischen Lagers ist. Er bezeichnet Johannes Calvin als einen der größten Lehrer der Kirchengeschichte: »Ich schätze sein Werk wirklich, und ich nannte meinen zweiten Sohn Calvin Martin nach John Calvin und Martin Luther. Das sagt dir, bei welchem Team ich spiele.«18
Driscoll ist ein großer Bewunderer von Charles Spurgeon. In vielerlei Hinsicht hat er sich an Spurgeon orientiert, den er »unstrittig als den größten biblischen Verkündiger außerhalb der Schrift bezeichnet … die Schriften Spurgeons sind unglaublich inspirierend für mich … in ihm habe ich einen Mentor gefunden, mit dem ich mich identifizieren kann …«19

Driscoll definiert den Neuen Calvinismus
Driscoll nennt vier Eigenschaften, die den Neuen Calvinismus besser als den alten machen und die auf der englischen Wikipedia-Webseite unter dem Stichwort »New Calvinism« angeführt werden (mit Verweis zur Quelle unter http://theresurgence.com/2009/03/12/time-magazine-names-new-calvinism-3rd-most-powerful-idea):
1.) Der Alte Calvinismus war entweder fundamentalistisch oder liberal und trennte sich entweder von der Kultur, oder vermischte sich synkretistisch mit ihr; der Neue Calvinismus ist missional und will Kultur schaffen und sie erlösen.
2.) Der Alte Calvinismus flüchtete aus den Städten, der Neue Calvinismus strömt in die Städte.
3.) Der Alte Calvinismus war cessationistisch [d. h. glaubte, dass die zeichenhaften Geistesgaben mit Abschluss der Bibel aufgehört haben] und fürchtete die Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes; der Neue Calvinismus ist nicht-cessationistisch [d. h. er glaubt an das Fortbestehen aller Geistesgaben] und er freut sich an der Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes.
4.) Der Alte Calvinismus scheute sich vor anderen Christen, war argwöhnisch und brach Brücken ab; der Neue Calvinismus liebt alle Christen und baut Brücken zwischen ihnen.

Driscolls Verkündigungsdienst ist zwar äußerst populär, wird aber auch unter Evangelikalen kontrovers gesehen, weil er unkonventionelle Methoden anwendet, die er als »theologisch konservativ und kulturell liberal« bezeichnet. Hier sind einige der Hauptmerkmale von Driscolls Dienst:

1. Vulgäre Sprache und verdorbene Kommunikation
Driscoll verwendet häufig perverse und ungehobelte Sprache. Seine Sprache – selbst in seinen Predigten – ist ungehobelt und teilweise anzüglich und vulgär. Er ist wohlbekannt für seine Gossensprache, wie Donald Miller, populärer Autor und Ikone der Emerging Church, in seinem Buch Blue Like Jazz (S. 133; dt. Titel: Blue Like Jazz: Unfromme Gedanken über christliche Spiritualität, Luqs, 2010) erwähnt; Driscolls Spitzname ist »Mark, der fluchende Pastor«. In den letzten Jahren hat Driscoll seine Sprache etwas gemäßigt.
Ein Merkmal von Driscolls Dienst ist seine lässige Kleidung. Wenn er in der Mars Hill Church predigt, trägt er oft Jeans und viele provokative T-Shirts mit Aufschriften wie z. B. dem Slogan »Body Pearcing rettete mein Leben« [ein Wortspiel mit Pearcing im Sinne moderner Pearcings und dem Durchbohren (engl. pearcing) des Leibes Christi am Kreuz], Shirts mit einem Bild von Drag Queen Jesus [Jesus als Transvestit dargestellt], T-Shirts mit der Aufschrift Jesus is my homeboy [Jesus ist mein »Kumpel« oder »Gangmitglied«] oder Mary is my homegirl [Maria ist meine »beste Freundin « oder »Gangmitglied«], Shirts mit Totenkopf und Knochen [Skull and Cross bones, ein Zeichen einer berüchtigten Freimaurerloge] oder der Aufschrift Jesus as a DJ [Jesus als Diskjockey].

2. Spott über die Bibel
Driscoll spottet oft über die Bibel und macht sich über biblische Personen lustig. Er nennt Gideon, den Krieger des Herrn, einen »völligen Feigling« und bezeichnet Johannes den Täufer als einen »Freak«. In einer Predigt über Humor in der Bibel sagte er über das 1. Buch Mose, dass es das Buch ist, wo alles beginnt, einschließlich guter Comedy. Zitat:

»Ich meine, das ganze Buch ist hinterwäldlerisch, eine Familiensaga reinster Prägung. Es ist, als ob 1. Mose auf einem Campingplatz stattfindet … das ganze Buch ist voller provinzieller Comedy … So sehe ich das. Es ist irgendwie lustig, dass, nachdem Gott alle umgebracht hat, der eine ›gerechte‹ Typ nackt in seinem Zelt endet.«

Driscolls Buch Vintage Jesus (2008) enthält zwar einige Lehren, die wahr sind, aber es enthält vieles, was vulgär und anstößig ist. In den Buchläden in den USA und in Großbritannien sowie weltweit ist es überall zu erhalten. Viele Gemeindebuchläden empfehlen dieses Buch und Tausende von jungen Leuten haben es gelesen. Um einen Einblick in die Tragödie und die Kompromisse des Neuen Calvinismus zu erlangen, müssen wir wissen, was von ihren führenden Vertretern niedergeschrieben wurde. Dazu einige Zitate von den Seiten 43-44:

Das erste Kapitel von Markus beginnt damit, dass Jesus völlig fremde Leute anschreit, damit sie Buße über ihre Sünden tun … Im zweiten Kapitel legt sich Jesus mit einigen kultivierten religiösen Typen an … Im dritten Kapitel wird Jesus zornig und auch traurig, und offensichtlich braucht er Praxil [ein Medikament gegen Depressionen, Angststörungen und Panikattacken] … Dann lässt er seine eigene Mami links liegen … In Kapitel 5 bringt Jesus 2000 Schweine um, verursacht eine Panik in der Blogosphäre der Tierschutzaktivisten sowie Schinkenmangel … In Kapitel 6 beleidigt Jesus einige Leute und braucht offensichtlich Nachhilfe in Feingefühl. In Kapitel 7 haben einige religiöse Leute ein paar Fragen an Jesus, doch er bezeichnet sie rüde als »Heuchler« und lässt eine lange Schimpftirade über sie los …

Und so geht das mit luftleeren Kommentaren zu jedem Kapitel des Markusevangeliums weiter und weiter. Driscoll zieht dann seine Schlussfolgerung:

»Alles in allem eignet sich das Markusevangelium nicht für alte Damen mit Hüten oder Männer in Anzügen, wie wir sie in den Gemeinden sehen.«

In seinem ganzen Dienst zeigt sich Driscolls Abneigung gegen Leute, die er als religiös bezeichnet, worunter er traditionelle Gemeindemitglieder versteht, und er lässt keine Gelegenheit aus, diejenigen zu verurteilen, die in seinen Augen Fundamentalisten sind, da sie »zu Gesetzlichkeit, Moralismus und zu einem allgemeinen Mangel an Liebe, Gnade oder Geduld neigen.«
In seinem Buch Vintage Jesus beschreibt Driscoll unseren Herrn als intolerant, aggressiv, depressiv, als jemanden, der mehr Feingefühl braucht. Er sagt auch: »Jesus war ein ziemlich lustiger Typ und wurde auf viele Partys eingeladen …« (S. 39). Das Bild, das er von unserem Herrn Jesus Christus zeichnet, ist ehrfurchtslos und blasphemisch. Driscolls Umgang mit der Schrift ist respektlos und spöttisch.
Dennoch wurde das Buch Vintage Jesus von vielen bekannten evangelikalen Leitern wärmstens empfohlen. Bruce Ware, Professor für christliche Theologie am Southern Baptist Theological Seminary, empfiehlt:

»Das Buch Vintage Jesus bietet eine frische, fesselnde und aufschlussreiche Diskussion über einige der ältesten und wichtigsten Wahrheiten über Jesus Christus, die das Herz des Evangeliums bilden. Beim Lesen sprang mein Herz vor Freude, während die Wunder und der Scharfsinn der Wahrheiten dargelegt wurden …«

Professor Wayne Grudem, Professor für Bibel und Theologie in Phoenix, ist ebenso überschwänglich, was seine Empfehlung angeht:
»Mark Driscoll und Gerry Breshears kombinieren ein tiefes Verständnis der modernen Kultur mit tiefer christlicher Lehre, die bibeltreu ist. Es ist in einem so interessanten Stil verfasst, dass man es kaum aus den Händen legen mag. Ich empfehle es wärmstens!« Dieses Buch wurde ferner von John Piper und seinem Werk Desiring God empfohlen.

3. Sexuelle Zügellosigkeit
Von Beginn seines Dienstes an hat Mark Driscoll versucht, Frivolität in der Gemeinde zu fördern. Seine Schriften sind voll von sexuellen Anspielungen und Provokationen. In Driscolls Dienst gibt es Predigten und Lehren über Sex mit vulgärer und provokativer Sprache. In seinem Buch Confessions of a Reformission Rev: Hard Lessons from an Emerging Missional Church (2006) erklärt er seine Methode für Gemeindewachstum: Er geht davon aus, dass alle jungen Leute an Sex interessiert sind, und so predigte er über das Hohelied, das er als ein Sexhandbuch interpretiert.
Er betont zwar, dass Sex in die Ehe gehört, doch geht er mit dem Thema Sexualität anzüglich und unrein um. In seinem Buch Radical Reformission (S. 131) schlägt er als Teil eines kulturellen Projekts vor, dass Männer das Magazin Cosmo Girl [eine Frauenzeitschrift für junge Leserinnen] lesen und aufreizende Gespräche über Sex im Radio anhören sollen.
Die Webseite seiner Mars Hill Church enthielt Links zu zwei pornographischen Webseiten. Dr. Judith Reisman (eine Kinsey-Expertin) begutachtete die empfohlenen Webseiten und kommentierte:
»Nun, dies ist im besten Falle tragisch. Ich weiß nicht, ob es schlimmer ist zu denken, dass es sich hier um gefälschte Gemeinde-Webseiten von Pornoanbietern handelt, oder um echte Gemeinde-Webseiten von Gemeinden, die Pornographie verbreiten. Worte können die Ignoranz, Arroganz und die schamlose Homoerotik dieser Seiten kaum beschreiben.«
Im Jahre 2007 hielt Driscoll eine Predigt mit dem Titel Sex, a Study of the Good Bits from Song of Solomon (»Sex, eine Studie der guten Seiten des Hohelieds«) in zwei schottischen Gemeinden. Er bot der Gemeinde drei Predigten an und ließ sie wählen, welche sie hören wollten. Inmitten von begeisterten Zurufen und Gelächter entschied sich die Gemeinde für »Sex im Hohelied«. Die Predigt war so geschmacklos und vulgär, und das sogar für Driscolls Verhältnisse, dass es zu einem Aufschrei kam.
Driscolls letztes Buch Real Marriage (2012) handelt erneut in der provozierendsten, anstößigsten und unsittlichsten Weise über Sex.

4. Gott liebt Punk- und Rockmusik
Driscolls grundlegende Philosophie geht davon aus, dass Christen sich auf die Kultur von heute einlassen sollten. Weltliche Punk- und Rockmusik spielt eine wichtige Rolle in Driscolls Leben und Dienst. Er nannte den Hip-Hop-Künstler Jay-Z ein Genie und bezeichnete den christlichen Rapper Lecrae als Missionar des 21. Jahrhunderts. Driscolls Vorliebe für Hardrock hat großen Einfluss auf die Mars Hill Church. »Ich hatte die Vision von einer großen Gemeinde, die Konzerte für nichtchristliche Bands gibt …«
In seinem Buch Radical Reformission schreibt er auf S. 126:

Ich war hin- und hergerissen zwischen der »säkularen« Musik, die mir gefiel, und der christlichen Musik, die mir nicht gefiel. Nach viel Gebet entschloss ich mich, dass Gott mich liebte und es zuließ, dass meine [christliche] Musik gestohlen wurde, damit ich die alten Alben, die ich mochte, wieder zurückkaufen konnte. Und so tat ich dies, und als Pastor einer Gemeinde, die immer wieder säkularen Bands mit säkularen Konzerten Raum bietet, habe ich dies bis heute nicht bereut.

Piper beschrieb die Musik in Driscolls Gemeinde als die lauteste, die er je gehört hat.

5. »Jesus liebt Tattoos«
Driscolls Gemeinde fördert Tattoo-Künstler in ihrer Arbeit. Das Thema Tattoos wird in der Mars Hill Church unter der Überschrift »Jesus liebt Tattos « diskutiert. Driscoll hat keine Einwände dagegen, dass Leute sich tätowieren lassen. In einer Predigt behauptete er unverfroren:

»Du bist frei in Christus, um verrückt zu sein … Lasst mich unsere Position sagen – Tattoos sind keine Sünde, okay. Jesus Christus wird bei seiner Wiederkunft ein Tattoo haben, wie die Offenbarung sagt. Es heißt, dass an seinem rechten Bein geschrieben sein wird »König der Könige« und »Herr der Herren«, was von allen Fundamentalisten wirklich als ausgeflippt empfunden werden wird, wenn sie Jesus mit seinen Tattoos sehen werden. Ich kann diesen Tag kaum erwarten …20

6. Übernatürliche Visionen
Driscoll behauptet, dass er die »Gabe der Unterscheidung« habe, die es ihm erlaube, die Sünden der Menschen in seiner Gemeinde zu sehen. In einem Seminar über Seelsorge erläutert Mark Driscoll: »Einige Leute sehen tatsächlich Dinge. Das mag die Gabe der Unterscheidung sein. Gelegentlich sehe ich Dinge. Ich sehe Dinge.« Driscoll behauptet, dass er sah, wie eine Person als Kind sexuell missbraucht worden war. Driscoll: »Es ist so, als ob ich einen Fernseher vor mir hätte. Ich sehe es … Und einige von euch haben diese visuelle Fähigkeit, Dinge zu sehen.« Driscoll erklärt:

Es ist das Übernatürliche. Es ist der ganz andere Bereich. Es ist wie im Film Matrix. Du kannst die blaue Pille nehmen, du kannst die rote Pille nehmen. Du gehst in diese ganz andere Welt. Und so funktioniert es … Auch ich sehe Dinge. Ich habe gesehen, wie Frauen vergewaltigt wurden. Ich habe gesehen, wie Menschen missbraucht wurden. Ich habe gesehen, wie Menschen geschlagen wurden. Ich habe schreckliche Dinge gesehen.

Ist Mark Driscoll ein falscher Lehrer?
»An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen« (Mt 7,20). »Denn der Baum wird an der Frucht erkannt« (Mt 12,33). Mark Driscolls bezeichnet sich als theologisch konservativ und kulturell liberal. Er sagt, dass die »Emerging Church ein Evangelium der Freiheit verkündet« (Confessions of a Reformission Rev.: Hard Lessons from an Emerging Missional Church, S. 25). Driscolls Evangelium der Freiheit scheint ein Evangelium zu sein, das keine Regeln oder Verhaltensweisen des biblischen Christentums kennt. Ist Driscoll also ein falscher Lehrer? Dies ist eine Frage, die viele beschäftigt.
In der Praxis sehen wir einen großen Graben zwischen der Lehre, die Driscoll verkündet, und dem Verhalten, das er durch seinen kulturell liberalen Dienst fördert. Die Befürworter Driscolls argumentieren mit seinen Predigten, die in der Lehre in Ordnung sind. Aber was ist mit dem Verhalten, das Driscoll nicht nur bejaht, sondern sogar fördert? Was nützt gesunde Lehre, wenn sie mit zügellosem Verhalten verbunden ist? Ist dies nicht die gefährliche Häresie, die im Judasbrief beschrieben wird, wo falsche Lehrer heimlich in die Gemeinde eindringen und die Gnade Gottes in Zügellosigkeit verwandeln (Judas 4)? Wie wir gesehen haben, umfasst der Dienst Driscolls folgende schlechten Früchte:
1.) Perverse Sprache und verdorbene Kommunikation;
2.) Spott über die Bibel;
3.) sexuelle Zügellosigkeit;
4.) Punk- und Rockmusik;
5.) Tattoos;
6.) übernatürliche Visionen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Driscolls Dienst sündiges Verhalten in der Gemeinde fördert. Er hat die Gnade Gottes in Zügellosigkeit verwandelt. Seine Lehren pervertieren einen heiligen Wandel, indem er Weltlichkeit in der Gemeinde fördert. Er propagiert eine fleischliche Version des Christentums, die sich an den Lüsten des Fleisches ergötzt. Er ermutigt Christen, nach dem Fleisch zu wandeln, ihre Gedanken auf die Dinge des Fleisches zu richten, was Zügellosigkeit, Unmoral, Unreinheit und Sinnlichkeit beinhaltet (Gal 5,19).
Ist Mark Driscoll also ein falscher Lehrer? Unser Herr sagte: »An den Früchten werdet ihr sie erkennen.« Wie ein schlechter Baum schlechte Frucht hervorbringt, so bringt ein falscher Lehrer sündiges Verhalten in der Gemeinde hervor. Aus diesem Grunde muss Mark Driscoll an seinen Früchten beurteilt werden.

Wie wurde Mark Driscoll so populär im Neuen Calvinismus?
Driscoll hat eine so wichtige Stellung im Neuen Calvinismus eingenommen, weil er enorme Unterstützung durch eine Reihe evangelikaler Leiter in den USA und in Großbritannien bekam. Driscoll spricht regelmäßig auf großen Konferenzen der Gospel Coalition und von Desiring God. In Großbritannien wurde er auf die Konferenz Men’s Convention in London eingeladen, um vor 4.000 Teilnehmern zu sprechen.
Der vielleicht größte Unterstützer von Mark Driscolls Dienst ist John Piper. Er hat Driscoll zweimal eingeladen, auf seiner Desiring God-Konferenz zu sprechen. Piper sagte, der Grund, warum er Driscoll eingeladen hatte, war, weil er Driscolls Theologie liebt, und weil Mark sein Freund ist. Er hilft Driscoll, wie ein Vater seinem Sohn hilft.
John Piper hat für Driscoll die Rolle eines Mentors eingenommen und berät ihn für seinen Dienst. Auf der Basics Conference 2009 ergriff John Piper die Gelegenheit, auf John MacArthurs heftige Kritik zu antworten, die MacArthur an Mark Driscolls besagter Predigt über das Hohelied in Schottland geübt hatte. MacArthur hatte gesagt, dass Driscolls Predigtmethode einer geistlichen Vergewaltigung gleichkäme. John Piper sagte dazu:

Als ich die Predigt über das Hohelied zugeschickt bekam, die John [Mac-Arthur] kritisiert hat, hab ich mir sie angehört und gedacht, »das ist schrecklich«. Ich ging dann ins Internet und schrieb Mark Driscoll einen dreiseitigen Brief – das ist schrecklich … innerhalb einer Stunde war [die Predigt] von [seiner] Webseite verschwunden … Das ist bedeutsam; das war, wie ein Sohn auf dieses väterliche »Come on! Du hast es übertrieben!« reagiert. Jetzt hat er wieder über das Hohelied gepredigt und es war viel gemäßigter, viel besser, was mir einfach sagt, dass Mark am wachsen ist … ist er lehrmäßig ein fester Fels …«21

Es ist von Bedeutung, dass Driscoll häufig an den jährlichen Konferenzen der Gospel Coalition gesprochen hat. 2009 sprach Driscoll über »Das Wort der Wahrheit in gerader Richtung schneiden«. Driscolls einleitende Worte lauteten: »Ich danke Dr. Carson, den ich sehr liebe und schätze, und Dr. Tim Keller, dass sie uns alle hier zusammengebracht haben … was uns verbindet, ist die theologische Überzeugung, und das ist, worauf es am meisten ankommt …« 2011 predigte Driscoll über »Den geisterfüllten missionalen Dienst Jesu« und propagierte seine Acts 29-Version der Mission und Evangelisation.
Die Gospel Coalition hat den Dienst Driscolls in vollem Umfang unterstützt, und Driscoll war jahrelang ein Mitglied, bis er vor einigen Monaten zurücktrat. Mark Driscoll war so einflussreich in der Gospel Coalition, dass er im Jahre 2011 bei der nationalen Konferenz an der Podiumsdiskussion teilnahm, als das Thema »Ausbildung der nächsten Generation von Pastoren und anderen christlichen Leitern« diskutiert wurde. Die Diskussion wurde von Don Carson geleitet; Mark Driscoll saß leger inmitten der größten Namen der evangelikalen Welt, Dr. Albert Mohler, David Helm und Ligon Duncan.

Dr. Albert Mohler
Dr. Albert Mohler, Präsident des Southern Baptist Theological Seminary, ist unter amerikanischen Evangelikalen ebenso auf breiter Front als Führungsperson anerkannt wie unter den Neuen Calvinisten. Das TIME-Magazine bezeichnete ihn als den »führenden Intellektuellen unter den Evangelikalen in den USA.«
Mohler machte sich einen Namen, als er 1993 zum Direktor des Southern Baptist Seminary berufen wurde und von den Mitgliedern der Fakultät verlangte, dass sie das Glaubensbekenntnis des Seminars auf der Grundlage der Westminster Confession ohne Vorbehalte akzeptieren mussten. Mohler erklärt:
»Ich sagte unterm Strich, wenn dieses Bekenntnis das ist, was Sie glauben, dann wollen wir, dass Sie bleiben. Wenn nicht, dann sind Sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen hierher gekommen und dann müssen Sie gehen.«
Nur vier der über 100 Dozenten blieben, als Mohler kam.
Bedeutsam ist die Tatsache, dass bei der Amtseinführung Mohlers im Oktober 1993 Billy Graham der Redner war. Das Southern Seminary hatte die Liberalen aus ihren Reihen verwiesen und lud nun die Neoevangelikalen ein. Es überrascht nicht, dass Mohlers erstes großes Projekt darin bestand, die Billy Graham School of Evangelism, Mission and Church Growth (Billy Graham Schule für Evangelisation, Mission und Gemeindewachstum) aufzubauen, was von Graham sehr begrüßt wurde. Heute bildet das Southern Baptist Seminary, das mehr als 4.300 Studenten hat, ständig neue Pastoren aus. Aber der Schein trügt. Drei Kritikpunkte müssen angeführt werden.

Mohlers ökumenische Gesinnung
Erstens, Al Mohler hat sich als sehr ökumenisch erwiesen und hegt Sympathien für das neoevangelikale Denken. 2001 war Al Mohler der Vorsitzende des Ausschusses für die Greater Louisville Billy Graham Crusade, und das obwohl die ökumenischen Kompromisse Grahams gut dokumentiert sind. Es ist unter Reformierten allgemein bekannt, dass Graham ein Vorreiter der neoevangelikalen Kompromissbereitschaft war und dass er große Sympathien für die Kirche Roms hat.
Der Theologe Dr. Kevin Bauder schrieb im Baptist Bulletin:

»Al Mohler war bereit, mit Billy Graham zusammenzuarbeiten und ihm auf dem Campus einen Ehrenplatz zu bereiten. Wir sind nicht bereit, Billy Graham zu ehren. Wir denken, dass dieser Mann Tadel und Korrektur braucht für das, was er mit dem Evangelium gemacht hat.«22

Mohler erwiderte, dass »Dr. Graham bei seiner Amtseinführung gesprochen hatte und eine wichtige Rolle bei der konservativen Neuausrichtung des Southern Baptist Theological Seminary spielt, wofür Mohler sehr dankbar war.«23
Albert Mohler war einer der ersten, der das ökumenische Dokument Manhattan Declaration zusammen mit Repräsentanten der orthodoxen der römischen-katholischen Kirche unterschrieb. Mohler sagte, dass er die Deklaration unterschrieben habe, weil es um die Heiligkeit des Lebens, die Integrität der Ehe und die Verteidigung der Religionsfreiheit ging, worüber das christliche Gewissen nicht schweigen kann. Zitat:
»Schließlich unterzeichnete ich die Manhattan Declaration, weil ich meinen Namen unter die Abschlusserklärung setzen wollte – dass wir unsere Knie nicht vor Cäsar beugen wollen.« Mohler erklärte damit, dass er sich zusammen mit katholischen Repräsentanten weigern wird, seine Knie vor Cäsar zu beugen.
Mohler zeigte seinen ökumenischen Geist ferner, als er als Mitglied der Gospel Coalition fungierte. Im Juni 2011 nahm er an einer Podiumsdiskussion mit dem Thema »Ausbildung von Pastoren« teil und saß dabei direkt neben Mark Driscoll.
Im Dezember 2011 wurde er auf den kontroversen Dienst von Mark Driscoll angesprochen und sagte:
Ich bin dankbar, dass Mark Driscoll an das Evangelium Jesu Christi glaubt, es lehrt und verkündigt. Ich schätze und bewundere seine Kühnheit und Beharrlichkeit … Das Evangelium hat Konsequenzen. Pastor Driscoll und ich stimmen nicht in allen Punkten überein. Ich habe große Bedenken in Bezug auf exzessive Kontextualisierung … Ich möchte sagen, dass es manche Dinge gibt, über welche Driscoll spricht, die ich niemals erwähnen würde.
Hier hatte Mohler die Gelegenheit, vor dem weltlichen Dienst Driscolls zu warnen (wie John MacArthur es tat), aber er entschied sich, dies nicht zu tun. Es ist bedeutsam, dass Mohler und Driscoll einige Monate später problemlos während einer Podiumsdiskussion der Gospel Coalition nebeneinander saßen, um darüber zu diskutieren, wie die zukünftigen Pastoren und christlichen Leiter ausgebildet werden müssen.

Förderung der weltlichen Hip-Hop Kultur
Der zweite Kritikpunkt ist, dass Albert Mohlers Radioprogramm bekannten Rappern wie Marcus Gray (auch bekannt als Flame) und Lecrae einen prominenten Platz in seiner Sendezeit eingeräumt hat. Dieses Programm, moderiert von Dr. Russel Moore, Dekan der School of Theology am Southern Baptist Theological Seminary, hat offen die Hip-Hop-Kultur und christlichen Rap verbreitet. Russel Moore sprach darüber, wie die christliche Gemeinde mit der Hip-Hop-Kultur in Dialog treten kann. Er sagte:

»Da ist etwas im Hip-Hop, von dem wir in jeder Weise etwas lernen können, in unserer Evangelisationsarbeit, in unserer Jüngerschaft, in unserer Verkündigung, vor allem in unserer Verkündigung.«

Er bekräftigte, dass die Lieder der Rapmusik in ihrer Lehre und Theologie wirklich sehr tiefgründig seien. Er wies ferner darauf hin, dass die christliche Gemeinde von der Hip-Hop-Kultur viel über gute biblische Kontextualisierung lernen kann. Er bat Lecrae sogar darum, eine Liste empfehlenswerter christlicher Rapper zu erstellen.
Die Frucht dieser Radioprogramme, die mit dem Segen der Southern Baptist Seminary im Albert Mohler Program ausgestrahlt wurden, ist, dass christlicher Rap und die Hip-Hop-Kultur unter theologischen Studenten und jungen Christen Verbreitung finden. Dr. Mohlers Radioprogramm hat die Welt in die christliche Gemeinde eingeladen – er macht keinen Unterschied mehr zwischen dem Heiligen und dem Profanen.

Psychologie in der Gemeinde
Ein dritter Grund zur Besorgnis ist, dass Dr. Mohler im Aufsichtsgremium für Focus on the Family war. Diese Organisation wurde von James Dobson gegründet und hat mehr als jede andere Organisation getan, um die Lehre vom Selbstwert in der Gemeinde zu verbreiten.

Fazit
Nachdem wir die Lehren und Praktiken des Neuen Calvinismus beschrieben haben, müssen wir nun unsere Schlussfolgerungen daraus ziehen. Der Neue Calvinismus ist eine Bewegung, die auf den Kompromissen der Neoevangelikalen beruht, auf den Praktiken der Emerging Church und auf dem falschen Denken eines neuen Ökumenismus, der die katholische Kirche lediglich als einen unter vielen Zweigen des christlichen Glaubens betrachten. Es handelt sich um eine Bewegung, die in der Praxis die protestantische Reformation verworfen hat, obgleich sie Lippenbekenntnisse für den reformierten Glauben ausspricht.
Das sind die fünf Merkmale des Neuen Calvinismus:

1.) Oberflächlichkeit in der Lehre
Der Neue Calvinismus ist oberflächlich in Bezug auf die Lehre, obwohl er für sich beansprucht, das Wiederaufleben der reformierten Lehren Calvins zu sein. Die Botschaft der Errettung, die oftmals äußerlich korrekt erscheint, wird in einer Weise verkündet, die ohne Überzeugungskraft ist. Nur selten wird die schreckliche Folge der Sünde und die Heilsnotwendigkeit echter Buße erwähnt, die zum neuen Leben in Christus führt. Die Lehre des Neuen Calvinismus über die Heiligung ist mangelhaft. Sie vernachlässigt die Notwendigkeit, heilig zu wandeln; stattdessen betont sie die Freiheit, die Freuden und die Vorteile des christlichen Lebens.

2.) Liebe zu der Welt
Der Neue Calvinismus hat weltliches Handeln und Denken in die Gemeinde gebracht. Er trennt sich gewöhnlicher nicht von der Einstellung, den Begierden und den Dingen dieser Welt. Der Neue Calvinismus hat sich den Begierden und dem Denken des Fleisches hingegeben. Er ist eng mit der modernen Anbetungsmusik und der »heiligen Hip-Hop«-Szene verwoben. Was Kleidung, Sprache und Unterhaltung angeht, akzeptiert der Neue Calvinismus die Wege der Welt.

3.) Starke ökumenische Ausrichtung
Der Neue Calvinismus hat offene Arme für alle Schattierungen von Lehren. Die Zustimmung zum Apostolischen Glaubensbekenntnis ist alles, was jemand braucht, um als Christ akzeptiert zu werden. Dies bedeutet, dass der Neue Calvinismus Sympathien für die römisch-katholische Kirche hegt.
Er ist inklusivistisch und akzeptiert bereitwillig sowohl die Charismatiker als auch die Irrtümer der Emerging Church. Das Streben nach einer falschen kirchlichen Einheit ist der Kardinalfehler des Neuen Calvinismus, der zu allen Arten von Kompromissen führt. Die Neuen Calvinisten weigern sich, sich von ungesunder Lehre – selbst den extremsten Formen von Irrlehren – zu distanzieren. Viele gehen Allianzen ein, bei denen es lediglich um pragmatische Vorteile geht und weniger darum, das wahre Evangelium zu verkündigen. Wie auch die Neoevangelikalen sich nicht von offenkundigen Irrtümern distanziert haben, so folgt auch der Neue Calvinismus diesem neoevangelikalen Beispiel; und damit verletzt er biblische Prinzipien wie 2. Korinther 6,14-18.

4.) Sozialer Aktivismus
Der Neue Calvinismus fügt dem Evangelium des Heils das soziale Evangelium hinzu. Er glaubt, dass der soziale Aktivismus ein zentraler Aspekt des Evangeliums ist und dass die Kultur erlöst und die Welt verbessert werden muss. Er fördert soziale Programme, die den Armen dienen, und er setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein, um die Menschenrechte zu stärken.

5.) Niedrige Sicht der Schrift
Der Neue Calvinismus hat die Debatte um die Irrtumslosigkeit der Schrift hinter sich gelassen, denn sein Umgang mit der Schrift ist von fehlender Ehrfurcht und von Oberflächlichkeit charakterisiert. Einige im neocalvinistischen Lager verwenden die Bibel sogar für Comedy. Die Lieder der Rapper werden als tiefgründige Lehre betrachtet, die die Gemeinde lehren können, wie das Wort Gottes verkündigt werden sollte. Die Schrift wird kontextualisiert, um die Weltanschauung des Evangeliums passend und annehmbar für die neuesten kulturellen Trends zu machen. Jesus muss als Antwort auf alle Fragen der Kultur präsentiert werden.
Der Neue Calvinismus ist eine Bewegung, die von Oberflächlichkeit gegenüber heiligen Dingen charakterisiert ist. Er kennt keine Gottesfurcht. Er macht keinen Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Der Puritaner Thomas Watson gab diesen Rat:

Hab acht, auf wen du hörst! Unser lieber Heiland riet uns: »Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern daherkommen, aber inwendig reißende Wölfe sind« (Mt 7,15). Lasst mich euch sagen, der Teufel hat seine Diener – so wie Christus auch. Da gibt es einige, die es durch ihren feinen Scharfsinn gelernt haben, wie man Irrtum mit Wahrheit vermischt und wie man Gift in einem goldenen Becher serviert. Unsere Antwort auf diesen Angriff auf die Wahrheit des Evangeliums ist, jede neue Lehre zunächst zu untersuchen und ans Licht zu bringen, was daran falsch ist. Wir müssen für das Evangelium kämpfen, das den Heiligen ein für allemal überliefert wurde. Wir müssen die gesunde Lehre weitergeben.

(http://www.newcalvinist.com/)

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Nachbemerkung
Evangelium21 unterhält einige Verbindungen zu den in dieser Broschüre kritisierten Personen und Organisationen und hat sich z. T. an der Gospel Coalition als Leitbild orientiert.
Man sollte die in dieser Broschüre geübte Kritik jedoch nicht direkt auf Evangelium21 übertragen, da viele der hier erwähnten Kritikpunkte nicht auf Evangelium21 zutreffen.

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Anmerkungen und Quellen
1 Zitiert in Young, Restless, Reformed, S. 20
2 Sword and Trowel 1/2009, abrufbar unter http://www.metropolitantabernacle.
org/Sword-And-Trowel/Sword-and-Trowel-Articles/The-Merger-of-Calvinismwith-
Worldliness
3 Die Social-Gospel-Bewegung ist eine einflussreiche liberale theologische Protestbewegung,
die besonders Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitet
war
4 Tim Keller, Coming Together on Culture’, Parter 2: Practical Issues, 10 Feb 2012
5 The Reason for God, S. 93
6 http://www.firstthings.com/onthesquare/2008/02/an-interview-with-timothy-kell,
abgerufen am 5.9.2012.
7 http://freedomtorch.com/blogs/3/2762/tim-keller-and-social-justice
8 http://youtu.be/_YkeKhA8BUw
9 http://www.newworldencyclopedia.org/entry/Flannery_O’Connor
10 http://www.redeemer.com/connect/prayer/prayer_johnson_article.html http://
www.newcalvinist.com/who-are-the-new-calvinists-part-1/
11 Leserkommentar auf der Blogseite http://surphside.blogspot.de/2009/06/tim-keller-
following-in-warrens.html, abgerufen am 5.9.2012.
12 Keller in seiner Grundsatzbroschüre »Deconstructing Defeater Beliefs«, verfügbar
unter http://www.case.edu.au/images/uploads/03_pdfs/keller-deconstructing-defeater.
pdf (5.9.2012).
13 Auf der Webseite von Desiring God: What We Believe About the Five Points of
Calvinism, http://www.desiringgod.org/resource-library/articles/what- we-believeabout-
the-five-points-of-calvinism
14 Website, http://evangelicalreformedfellowship.org/InspirationandInerr.aspx.
Evangelical Reformed Fellowship, The Necessary Consonance of the Doctrines
of Scripture: Inspiration, Inerrancy, and Authority by Steve Curtis
15 Harold Lindsell, The Battle for the Bible, Zondervan, 1981, S. 113.
16 http://www.trinityfoundation.org/journal.php?id=103
17 Christianity Today, Rick Warren answers his critics by Lillian Kwon, Christian Post
Posted: Saturday, 28. Mai 2011, 13:14 (BST).
18 http://marshill.com/media/religionsaves/predestination#transcript
19 http://theresurgence.com/2008/07/25/spurgeon-wrote-books-that-the-haters-hated-
part-4-of-4
20 Mark Driscoll sermon, part 19: The Weaker Christian from 1 Corinthians 8:1-13.
28. Mai 2006.
21 Transskript der Ansprache auf der Basics Conference 2009; dieser Abschnitt wurde
vom deutschen Herausgeber aus einem anderen Artikel von E.S. Williams ergänzt
(http://www.driscollcontroversy.com/?page_id=654)
22 http://baptistbulletin.org/?p=19039
23 Marking the Boundaries, Baptist Bulletin interviews Kevin Bauder and Al Mohler.
Kevin Mungons 1. November