02.06.2021

Vier Belegstellen der Calvinisten für den Determinismus

Übersetzt von Georg WALTER, Schömberg

Wir wollen die vier wichtigsten biblischen Belegstellen eingehender betrachten, die von unseren calvinistischen Brüdern angeführt werden, um ihr Argument für den göttlichen Determinismus aller Dinge (manchmal auch als „Souveränität“ bezeichnet) zu stützen.

  1. Joseph, der von seinen Brüdern in die Sklaverei verkauft wurde:

Ihr gedachtet mir zwar Böses zu tun; aber Gott gedachte es gut zu machen, um es so hinauszuführen, wie es jetzt zutage liegt, um ein zahlreiches Volk am Leben zu erhalten. 1Mose 50,20

  1. Der König von Assyrien wird gebraucht, um Gericht über Israel zu bringen. Jesaja 10
  2. Pharao wird von Gott verhärtet, um das Passahfest zu vollenden.

Aber der HERR verstockte das Herz des Pharao, dass er nicht auf sie hörte, so wie der HERR es Mose gesagt hatte. Da sprach der HERR zu Mose: Mache dich am Morgen früh auf und tritt vor den Pharao und sprich zu ihm: So spricht der HERR, der Gott der Hebräer: »Lass mein Volk ziehen, damit es mir dient! 2Mose 9,12-13

  1. Die Kreuzigung Jesu

… diesen, der nach Gottes festgesetztem Ratschluss und Vorsehung dahingegeben worden war, habt ihr genommen und durch die Hände der Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und getötet. … um zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hatte, dass es geschehen sollte. Apostelgeschichte 2,23; 4,28

Es ist eine unter Theologen anerkannte Tatsache, dass Gott zu bestimmten Zeiten in die Geschichte eingreift und Ereignisse herbeiführt. Das ist es, was diese Ereignisse „von Gott“ und in einzigartiger Weise übernatürlich macht. Wir glauben ferner, dass Gott in diesen Fällen zu Maßnahmen greift, wie sie einige Calvinisten beschreiben. Allerdings glauben wir nicht, dass dieses einzigartige göttliche Eingreifen beweist, dass Gott alle Dinge, insbesondere die bösen Absichten des Menschen, bis ins Detail vorherbestimmt. Tatsächlich handelt es sich bei jedem der oben aufgeführten Beispiele darum, dass Gottes einzigartiges Eingreifen eindeutig erlösenden Charakter hat. Ich weigere mich zu glauben, dass Gott lediglich versucht, genau die bösen Absichten und Handlungen, die er selbst vorherbestimmt haben soll, zu erlösen.

Wie kann Gott seine guten Ratschlüsse trotz der bösen Entscheidungen von selbstbestimmten freien Geschöpfen verwirklichen?

Verstockung

Um in diesem Punkt Klarheit zu schaffen, muss darauf hingewiesen werden, dass es zwei Arten der Verstockung gibt, die in der Schrift gelehrt werden.

 

Normalerweise versteht man unter Verstockungsgericht einfach das Verbergen oder Durcheinanderbringen der Offenbarung der Wahrheit, die sonst zur Umkehr führen könnte (Mk 4,11-12; Röm 11,8). Es wird also nicht behauptet, dass Gott jemanden dazu veranlasst oder verleitet, moralisch Böses zu beabsichtigen. Gott lässt dem Menschen einfach die Freiheit, seinen Weg der Verstockung weiterzugehen und enthält ihm jede Offenbarung vor, die ihn zur Umkehr bewegen könnte. Ein Beispiel hierfür ist Jesu Anwendung von Gleichnissen, um die jüdischen Führer seiner Zeit davon abzuhalten, ihn als ihren Messias anzuerkennen (Markus 4).

  1. Selbstverhärtung: Dies ist der Fall, wenn eine moralisch rechenschaftspflichtige Person, die in der Lage ist, bestimmte moralische Handlungen zu unterlassen oder diese nicht zu unterlassen (libertär frei), in ihren eigenen Wegen starrsinnig oder sich verhärtet. Menschen werden nicht schon verhärtet geboren, aber wenn sie die Wahrheit immer wieder unterdrücken, werden sie schließlich verworfen und damit unfähig, zu sehen, zu hören, zu verstehen und umzukehren (Apg 28,27-28).

 

  1. Verstockung als göttliches Gericht: Das ist die aktive Rolle Gottes, eine bereits rebellische Person in ihrer Rebellion zu verblenden, um ihre Umkehr für eine gewisse Zeit zu verhindern. Sobald jemand in seiner Rebellion verworfen wird, kann Gott dessen schlechte Handlungen dazu benutzen, um seinen Ratschluss zu verwirklichen. Gottes Motiv besteht STETS darin, durch rebellische Handlungen einen größeren Heilsratschluss zu verwirklichen (wieder und wieder einschließlich der möglichen Erlösung sogar derjenigen, die durch göttliches Gericht verstockt wurden).

 

Betrachten Sie diese Analogie:  Angenommen ich sage meiner 4-jährigen Tochter, sie solle keine Kekse aus der Keksdose nehmen. In einem anderen Raum, außer Sichtweite, beobachte ich in der Küche, dass meine Tochter in die Keksdose schaut. Sie schaut sich im Raum um, um zu sehen, ob sie von jemandem beobachtet wird. Als Vater kann ich erkennen, was sie denkt. Sie ist im Begriff, einen Keks zu stehlen, und sie weiß, dass sie das nicht tun soll.

Nun könnte ich in die Küche gehen, damit sie mich sieht, bevor sie diese Sünde begeht. Wenn sie mich sieht, würde sie ihren bösen Plan aufgeben und ihr Trachten nach dem Keks aufgeben (zumindest bis zum nächsten Mal, wenn sie alleine ist). Nehmen wir jedoch an, ich entscheide mich dazu, den Raum nicht zu betreten. Ich bleibe außer Sichtweite, um sie der Versuchung auszusetzen und trete dann in Erscheinung, um sie mit der Hand in der Keksdose zu überraschen.

Habe ich die Versuchung verursacht, weil ich nicht sofort eingriff, als ich sah, wie sie der Versuchung ausgesetzt war? Nein. Ich habe sie zugelassen, aber ich habe sie nicht verursacht. Ich habe nicht vorherbestimmt, dass sie die Begierde zu stehlen hat. Ich hätte die Handlung abwenden können, indem ich mich einfach gezeigt hätte, aber ich habe mich entschieden, dies nicht zu tun.

Dies gleicht dem Verstockungsgericht. Indem ich einfach die Wahrheit verbarg (d. h. dass ich anwesend war und zusah), erlaubte ich meiner Tochter, einer Versuchung zu erliegen und zu sündigen. Bin ich in irgendeiner Weise schuldig für diese Sünde? Nein. Ich habe sie lediglich zugelassen, obwohl ich sie hätte verhindern können.

Hätte Gott im 1. Jahrhundert erscheinen und sich deutlich in Christus zeigen können, damit alle Juden dieser Zeit an ihn glauben? Ja, natürlich. Er hätte allen Juden, gleich dem Paulus, ein „Damaskus-Erlebnis“ schenken können, wenn er gewollt hätte. Er tat es nicht.

Stattdessen befahl Christus seinen Jüngern, sie sollen die Dinge bis zum richtigen Zeitpunkt geheim halten (Mt 16,20 Da gebot er seinen Jüngern, dass sie niemand sagen sollten, dass er Jesus der Christus sei). Wir sehen, wie er die Wahrheit in Gleichnissen verbirgt (Markus 4,11). WARUM? Wenn alle Menschen taub, blind und unfähig geboren werden, die Wahrheit zu verstehen, warum sollte er das tun? Er tat es, weil er nicht wollte, dass sie JETZT zur Buße kommen (erst nachdem er gekreuzigt und auferweckt wurde, zieht er alle Menschen zu sich). Das beweist, dass Jesus wusste, dass die Wahrheit mehr als hinreichend war, um die Verlorenen zur Buße zu ziehen. Er hatte ein größeres Erlösungsziel, das er zuerst durch die Jünger erreichen wollte, also verbarg er vor anderen die Wahrheit.

SCHLÜSSELPUNKT: Sie dürfen nicht dem Irrtum unterliegen, dass der Kontext des Verstockungsgerichts der Juden Ihre Auffassung über die angeborene Natur der Menschen trübt. Menschen sind sehr wohl in der Lage, zu hören, zu sehen und Buße zu tun, wenn sie mit der gewaltigen Wahrheit des Evangeliums konfrontiert werden, sofern sie nicht durch Gottes Gericht für diese Wahrheit verblendet wurden (siehe Apostelgeschichte 28,27-28).

Anwendung

  1. Joseph, der von seinen Brüdern in die Sklaverei verkauft wurde: Ihr gedachtet mir zwar Böses zu tun; aber Gott gedachte es gut zu machen, um es so hinauszuführen, wie es jetzt zutage liegt, um ein zahlreiches Volk am Leben zu erhalten. 1Mose 50,20

Lassen Sie uns eine andere Analogie betrachten: Wenn ein Polizeibeamter eine Radarfalle aufstellt, hat er ein unmissverständliches Anliegen: Raser zu stoppen, um die Sicherheit aller zu gewährleisten. Indem er sich demzufolge nicht offen zeigt, gewährleistet er, dass diejenigen, die zu schnell fahren wollen, dies auch weiterhin tun werden. In gewissem Sinne möchte er also, dass die Raser weiterhin zu schnell fahren, damit sie geblitzt werden, aber sein eigentliches Ziel besteht noch immer darin: Raser zu stoppen, um die Sicherheit aller zu gewährleisten. Der Polizeibeamte bestimmt in keiner Weise die Neigung des Rasers, zu schnell zu fahren. Er verbirgt sich und den Blitzer, um sicherzustellen, dass der Raser weiterhin zu schnell fährt, eine Entscheidung, die alleine der Fahrer trifft.

Gottes höchste Absicht, wie die des Polizisten in unserem obigen Bild, ist nur gut. Die Absicht der Brüder Josephs, wie die der Raser, ist nicht gut. Gottes souveräner Plan ist es, ihre freien, bösen Entscheidungen zu gebrauchen, um seinen guten Heilsratschluss zu erfüllen. Dies gleicht dem Polizisten, der die freie Entscheidung der Raser mithilfe einer Geschwindigkeitskontrolle dazu benutzt, für mehr Sicherheit zu sorgen. Gottes Absicht besteht ALLEINE darin, in allem Geschehen zu erlösen, zu retten und wiederherzustellen, doch um das zu tun, lässt er es zu, dass Menschen ihre eigenen bösen Neigungen erfüllen.  Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Gott die inneren Neigungen der Brüder Josephs bestimmt. Ebenso wenig gibt es Grund zur Annahme, dass der Polizist die Neigungen der Raser bestimmt.

  1. Der König von Assyrien wird gebraucht, um Gericht über Israel zu bringen. Jesaja 10

In Bezug auf Jesaja 10 argumentiert der calvinistische Apologet Dr. James White:

„In einem Schriftabschnitt haben wir Gottes heilige Absicht, sein Volk durch das Volk Assyrien zu richten – und doch macht Gott Assyrien für ihre sündige Haltung verantwortlich, dass sie auf diese Weise gebraucht werden! Gott richtet sie auf der Grundlage ihrer Absichten, und da sie mit einer hochmütigen Haltung, die Gottes Macht und Autorität nicht anerkennt, gegen Israel vorgehen, kommen auch sie unter Gericht. Das ist ganz eindeutig Kompatibilismus1: Gott benutzt die sündigen Handlungen der Assyrer für den guten Zweck, Gericht an seinem Volk zu üben, und dennoch richtet er die Assyrer für ihre sündigen Absichten. Gottes Handeln in seiner Souveränität ist vollkommen vereinbar mit den verantwortlichen und schuldhaften Handlungen sündiger Menschen.“

Die allgemeine theologische Überzeugung, die ich teile, stimmt in dem Punkt überein, dass Gott die bösen Absichten der Assyrer gebrauchte, um Gericht an Israel zu üben. Allerdings glauben wir nicht, dass Gott „in seiner Souveränität“ diese bösen Absichten wirkte. Demzufolge stellt unsere theologische Auffassung weder Gottes Heiligkeit in Frage, noch wirft sie das Problem auf, Gott sei der Verursacher von Sünde.

Gottes Zorn wird in der Schrift oft so dargestellt, dass Gottes Zorn die natürliche Folge des moralisch Bösen ist. In einer Weltanschauung, in der das moralisch Böse vom Menschen und nicht von Gott verursacht ist, stellt dies kein Problem dar. Der Mensch ist als Folge seines freien moralischen Handelns durch Gottes Zorn von Gott getrennt.

Dies kann man in Jesaja 10 beobachten. Anstatt Israel vor Assyrien zu beschützen (was Gott verheißen hat, wenn Israel gehorsam bleibt), zieht Gott seine schützende Hand zurück und ERLAUBT den Assyrern, ihrem eigenen, freien Willen zu folgen. Gott hat die bösen Absichten der Assyrer nicht verursacht oder herbeigeführt, also ist Gott vollkommen gerecht, sie für ihr rebellisches Handeln zu richten, trotz der Tatsache, dass Gott ihre Rebellion BENUTZT hat, um über Israels Ungehorsam das göttliche Gericht zu vollziehen. Die Tatsache, dass Gott es den rebellischen Assyrers ins Herz gelegt haben mag, die schon verstockten Israeliten als ihre nächsten Opfer zu betrachten, negiert nicht die individuelle Verantwortung des israelitischen und assyrischen Volkes, Rebellion in ihren Herzen zuzulassen.

Wollen Calvinisten uns glauben machen, dass Gott den Ungehorsam der Israeliten und der Assyrer „souverän gewirkt“ hat, um die ungehorsamen Handlungen der Assyrer zu benutzen, um wiederum die ungehorsamen Handlungen der Israeliten zu richten? Was ergäbe das für einen Sinn?

Die allgemein anerkannten theologischen Auffassungen bejahen zwar, dass Gott die freien rebellischen Handlungen einiger benutzen kann, um die Züchtigung oder das Gericht über andere herbeizuführen. Aber wir lehnen die Vorstellung vehement ab, dass unser dreimal heiliger Gott die Rebellion moralisch freier Geschöpfe „bewirkt“.  Gott versucht den Menschen nicht, Böses zu tun, geschweige denn, dass er souverän und unveränderlich bestimmt, dass sie Böses tun (Jakobus 1,13).

  1. Pharao wird von Gott verhärtet, um das Passahfest zu vollenden. 2Mose 9,12-13

Wir glauben, dass der Pharao aus freiem Willen gegen Gott rebellierte und nicht aufgrund eines unveränderlichen göttlichen Dekrets. Deshalb macht es durchaus Sinn, dass Gott den Pharao in seiner Rebellion verstockt, um sicherzustellen, dass er solange in diesem Zustand verharrt, bis der erlösende Zweck des Passahs erfüllt ist (eine Vorschattung der Verstockung Israels, um das wahre Passah mit Christus zu erfüllen). Der Text deutet nicht darauf hin, dass Gott dem Pharao die Fähigkeit genommen hatte, von seinen moralisch bösen Handlungen abzulassen oder nicht abzulassen; dennoch kam der Zeitpunkt, an dem Pharao durch Gottes Gericht verhärtet wurde.

  1. Die Kreuzigung Jesu

… diesen, der nach Gottes festgesetztem Ratschluss und Vorsehung dahingegeben worden war, habt ihr genommen und durch die Hände der Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und getötet. … um zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hatte, dass es geschehen sollte. Apostelgeschichte 2,23; 4,28

Es handelt sich um einen generellen Irrtum der Calvinisten, wenn sie einzelne Beispiele heranziehen, in denen Gott durch die bösen Absichten des Menschen etwas Gutes hervorbringt, als Beweis dafür, dass Gott (1) die bösen Absichten selbst „souverän gewirkt“ hat und (2) dass Gott zu allen Zeiten der Geschichte auf die gleiche Weise „souverän wirkt.“ Mit anderen Worten, sofern die calvinistische Auffassung stimmt, dann hat Gott „auf souveräne Weise“ Kindesmissbrauch gewirkt. Dies ist ein krasser Widerspruch zu allem, was wir in der Schrift über das Wesen und die Heiligkeit unseres Gottes lesen.

Sich auf Gottes souveränes Erlösungswerk von der Sünde zu berufen, um zu beweisen, dass Gott in seiner Souveränität alle Sünde wirkt, für die er Erlösung schafft, ist ein absurdes, nichtiges Argument. Dies käme der Behauptung gleich, dass eine Polizeibehörde für jede einzelne Absicht und Handlung eines Drogendealers zu allen Zeiten verantwortlich sei, weil sie verdeckte Ermittlungen einleitete, um einen berüchtigten Drogendealer zu überführen. Die Tatsache, dass die Polizeibehörde verdeckte Ermittler einsetzte, um die verbrecherischen Absichten ans Licht zu bringen und um den Drogendealer seiner Straftat zu überführen, ist keineswegs ein Hinweis darauf, dass die Polizei in irgendeiner Weise für das verantwortlich ist, was dieser Drogendealer getan hat oder jemals tun wird. Wir loben die Handlungen dieser Polizeibehörde, weil sie daran arbeiten, die Drogenaktivitäten zu stoppen. Die Polizei ist nicht die Ursache für den Drogenhandel, sondern  sie unterbindet ihn. Zu lehren, Gott bewirke Sünde in der gleichen Weise, wie er Golgatha herbeiführte, ist so, als würde man lehren, dass die Polizei jeden Drogenhandel bewirke, wie sie eine verdeckte Operation herbeiführte. Die verdeckte Operation der Polizei ist ebenso wenig die Ursache für die verbrecherische Absicht eines Drogenhändlers wie das Walten Gottes, das Golgatha herbeiführte, die Ursache für die Sünde des Menschen ist.

Ja, manchmal spricht die Schrift davon, dass Gott das Herz der Menschen „verstockt“ (2Mo 7; Röm 9), indem er ihnen einen „Geist der Betäubung“ gibt (Röm 11,8) und ihre Heilung verzögert, indem er in Gleichnissen spricht (Mk 4,11-12.34; Mt 16,20), doch stets handelt er mit dem Ziel zu erlösen. Aber der Grund, warum diese Schriftstellen sich so deutlich vom Rest der Schrift unterscheiden, ist in ihrer Einzigartigkeit begründet. Wenn Gott in jedem einzelnen Fall so handeln würde, würden diese Texte keinen Sinn machen. Denn was gibt es letzten Endes für Gott zu verhärten, wenn nicht den autonomen Willen der Geschöpfe?

Wenn alles unter der minutiösen Kontrolle von Gottes souveränem Wirken steht, was bleibt dann noch übrig, um etwas zu erlauben und/oder einzuschränken, außer dem, was Gott bereits kontrolliert? Hält Gott lediglich etwas zurück, was er zuvor bestimmt hat? Warum sollte man Augen daran hindern, etwas zu sehen, das sie „natürlicherweise“ nicht sehen sollten? Warum in Gleichnissen zu einem toten Sünder reden, der gleich einer Leiche unfähig ist, geistliche Wahrheit zu sehen? Dies sind Fragen, mit denen sich viele Calvinisten scheinbar nicht tiefgründig auseinandersetzen wollen.

Die Polizei in der obigen Analogie verbirgt ihre Identität manchmal, um die bösen Absichten übler Menschen zum Guten für die Allgemeinheit zu nutzen. Auch Gott kann die bösen Absichten der Menschen zum Guten gebrauchen, ohne dass sein Wesen in Frage gestellt wird – Gott ist nicht „die Ursache aller Dinge, die sind.“ Und gewiss führt Gott nicht jeden bösen Wunsch und jede böse Absicht „zur Verherrlichung Gottes“ herbei, wie es der Calvinismus explizit lehrt.1

Im Voraus zu wissen, dass sich jemand frei für die Sünde entscheiden wird, wie es sich bei meiner Tochter mit der Keksdose verhielt, bedeutet in keiner Weise, dass dieses Wissen im Sünder den Wunsch zum Sündigen verursacht, bestimmt oder notwendig macht. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht einfach akzeptieren können, dass Gott in der Lage ist, die selbstbestimmten, freien Entscheidungen vorherzusehen, auch wenn ein Element des Geheimnisses in der unendlichen Natur des Einen zurückbleibt, der alles weiß.

Kurz gesagt, ich glaube, dass Gott die Entscheidungen seiner Geschöpfe kennt, weil er allwissend ist, nicht weil er omnideterministisch ist.

 

Mit freundlicher Genehmigung von Soteriology 101

Four Calvinistic Proof-Texts for Determinism.

 

URL: https://soteriology101.com/2017/06/29/four-calvinistic-proof-texts-for-determinism/.

 

Anmerkungen

1 Kompatibilismus, auch „weicher Determinismus“ genannt, ist eine Theorie, wonach der freie Wille des Menschen mit dem Determinismus (Vorbestimmtheit allen Geschehens und Handelns) miteinander vereinbar ist.

2 Siehe Disapproving God’s Plan. URL: https://soteriology101.com/2016/07/07/disapproving-gods-plan/