Michael Kotsch und Wilfried Plock (28.01.2022)

 

Die Vorgeschichte

Im November 2020 verfassten vier Brüder eine Stellungnahme mit dem Titel „Jesus im Mittelpunkt behalten – trotz Corona“. Das Papier wurde von mehr als 50 evangelikalen Leitern unterzeichnet und als Orientierungshilfe in verschiedenen Medien veröffentlicht.

Vier Monate später – im März 2021 – schrieben zwei Älteste der „Reformierten Evangelischen Baptistengemeinde“ (ERB) Frankfurt eine Gegen-Stellungnahme. Sie nannten ihre Ausarbeitung: „Jesus im Mittelpunkt behalten – gerade wegen Corona“. Das acht Seiten umfassende Papier zirkuliert seither im Internet.

Wir möchten den Inhalt dieser Gegen-Stellungnahme hier nicht aufgreifen. Wer das Papier lesen will, wird die pdf-Datei im Netz schnell finden.[1] Ein paar Bemerkungen halten wir an dieser Stelle jedoch für angebracht. Denn es geht hier nicht um ein paar persönliche Ansichten, sondern um Lehrpositionen, die aus unserer Sicht der Gemeinde Jesu Christi bereits großen Schaden zufügt haben und wohl auch weiterhin zufügen werden.

Vielleicht kommt bei dem ein oder anderen die Frage auf, warum wir denn nicht das direkte Gespräch gesucht haben. Wir dürfen Ihnen versichern, dass wir die Frankfurter Brüder sehr wohl direkt auf ihre umstrittene Vorgehensweise und teilweise falsche Lehren aufmerksam gemacht haben. Der Erfolg war jedoch gleich null.

Mir (Wilfried Plock) haben sie z.B. schon nach wenigen freundlichen Mails mitgeteilt, dass sie keinen weiteren Austausch wünschen. Darum gehen wir nun einen Schritt weiter und nutzen diesen Weg.

Die Frankfurter Podcasts der letzten Monate

Es ist immer schmerzlich, wenn sich Christen öffentlich kritisieren (müssen). Wir betonen, dass wir uns nicht gegen die Verfasser persönlich wenden. Obwohl wir sie nicht wirklich kennen, gehen wir davon aus, dass es ehrbare, treue und in vielerlei Hinsicht vorbildliche Brüder sind. Wir wollen hier lediglich den Inhalt ihrer Verlautbarungen der vergangenen Monate beurteilen.

1. Riemenschneider und Schild argumentieren streng calvinistisch

Die reformierte Theologie fußt auf den so genannten fünf Punkten des Calvinismus. Letztere wurden auf der Synode von Dordrecht im Jahre 1619 festgelegt. Im anglo-amerikanischen Raum hat sich das Akrostichon TULIP eingebürgert, weil die fünf Punkte mit den Anfangsbuchstaben T-U-L-I-P beginnen. Das englische Wort tulip heißt auf Deutsch „Tulpe“: Total depravity (Totale Verderbtheit des Menschen), Unconditional election (Unbedingte oder souveräne Erwählung), Limited atonement (Begrenzte Sühnetat Jesu Christi), Irresistable grace (Unwiderstehliche oder wirksame Gnade), Perserverance of the saints (Beharrung der Gläubigen bis ans Ende). Jeder heute existierende Calvinismus geht in irgendeiner Weise auf die fünf Punkte von Dordrecht zurück.

Diese theologischen Axiome bilden eine Rahmenhypothese, die alle Bereiche des christlichen Lebens durchdringt – sowohl die Lehre von der Gemeinde als auch die Lehre vom Verhalten gegenüber dem Staat. So behaupten die Brüder Riemenschneider und Schild in ihrer Gegen-Stellungnahme beispielsweise, das Einhalten der Corona-Einschränkungen raube Gott die Ehre und sei letztlich Sünde. Am Ende des Papiers fordern sie sogar alle Christen auf, sich wieder „ganz normal“ zu versammeln. Sie lassen allerdings offen, was das genau heißt. Sind alle Gottesdienste mit Maske unnormal oder sogar gegen Gottes Ehre?

Die calvinistische Staatssicht

Warum argumentieren die beiden Ältesten so? Sie folgen offensichtlich den Lehren Calvins und der Puritaner, die davon überzeugt waren, dass der Staat keineswegs in die inneren Angelegenheiten der christlichen Gemeinden eingreifen dürfe. Dort sei nur Christus der Herr – und nicht Caesar![2]

Die Gemeinde von Riemenschneider und Schild nennt sich „Reformierte Ev. Baptistengemeinde“. „Reformiert“ ist allerdings nur eine Chiffre für den Begriff „calvinistisch“. Einen strengen 5-Punkte-Calvinismus vertritt zum Beispiel der amerikanische Prediger Paul Washer, mit dem die Frankfurter in enger Verbindung stehen. Zudem definiert sich die Reformierte Ev. Baptistengemeinde Frankfurt über ein Glaubensbekenntnis aus dem Jahre 1689. Es ist an das sogenannte Westminster Bekenntnis angelehnt und der Inhalt ist außerordentlich calvinistisch.

Als der bekannte kalifornische Pastor John MacArthur im Juli 2020 öffentlich erklärte, dass sich seine Gemeinde nicht weiter an die Corona-Einschränkungen halten wolle, erwähnte er in seiner Erklärung den Reformator Calvin und dessen Vorgehen im 16. Jahrhundert in Genf. Diese Passage wurde jedoch in der deutschen Übersetzung der Erklärung entfernt.[3] Die Übersetzerin hatte „Genf“ noch wiedergegeben, später fiel die Erwähnung der Schweizer Stadt irgendeiner Art von Zensur zum Opfer. MacArthur zog jedoch ursprünglich die Linie direkt von Calvin bis in die Gegenwart. Schon wird auf dem deutschen Markt ein Buch angekündigt, indem die Gemeinde von MacArthur und eine weitere in Kanada als Vorbild hingestellt werden, weil sie sich den staatlich verordneten Maßnahmen widersetzten.

Zurück nach Europa.

Warum ist diese Sicht ein Problem?

Die Frankfurter Ältesten lehren – ähnlich wie John MacArthur und Wolfgang Nestvogel –, die Gemeinde sei Gottes Hoheitsgebiet, die weltliche Obrigkeit habe dort nichts zu melden. Sie befürchten im Blick auf die Pandemie-Einschränkungen bereits unzulässige Übergriffe des Staates, in Anfängen sogar eine beginnende Christenverfolgung. Hier irren diese lieben Brüder! Und offensichtlich ist ihnen auch entgangen, dass die staatliche Obrigkeit im Blick auf christliche Versammlungen schon längst mitbestimmt: Gemeinden wird vorgeschrieben, wie viele Parkplätze sie bereithalten müssen, Bau- und Brandschutz-Vorschriften sind einzuhalten, Lärmvorschriften zu beachten, Hassreden sind verboten usw.

Diese „calvinistische“ Sicht ist nicht nur ein Schönheitsfehler. Die falsche hermeneutische Interpretation der Stellung des Staates erlaubt es den genannten Brüdern sich in Bezug auf unser Verhältnis zur Obrigkeit prinzipiell GEGEN den Staat zu stellen. Wenn die Regierung Einschränkungen vornimmt, die ihre gewohnte Gemeindepraxis in Frankfurt tangieren, meinen sie, Gott mehr gehorchen zu müssen als „dem Kaiser“. Das betrifft vor allem die Gottesdienste.

In einem Artikel schreiben die Brüder Derksen, Riemenschneider und Schild:

„Besorgt beobachten wir, dass Brüder, die einst mit Mut und Entschlossenheit die Wahrheit verteidigten, immer kompromissbereiter werden. Diese Kompromissbereitschaft tritt besonders deutlich zutage, wenn die Gemeinde Jesu in      die Zerreißprobe gestellt wird und der Staat in die Ausübung des Gottesdienstes und    in die Verkündigung des Wortes eingreift, wie es in der Kirchengeschichte immer wieder der Fall war.“[4]

Nach der Sicht der Brüder darf die Regierung auch in der Zeit einer Pandemie in keiner Weise in den Ablauf eines Gottesdienstes eingreifen. D.h. keine Maskenpflicht, kein Gesangsverbot, keine Abstandsregelungen etc. Und genauso verhält sich die Frankfurter Gemeinde auch.

Die Bedeutung der gottesdienstlichen Versammlung wird überhöht

Zudem ist uns aufgefallen, dass die Brüder Riemenschneider und Schild das Gemeindeleben in einseitiger Weise stark auf die wöchentliche Zusammenkunft am Sonntag konzentrieren. Kleinere Treffen sowie persönliche Begegnungen sind ja unter bestimmten Auflagen fast immer möglich gewesen.

Abgesehen davon beeinträchtigt das an sich gute Bestreben, die Gemeindeveranstaltungen auch während der Pandemie weiterhin unverändert durchzuführen, das Zeugnis der Gemeinde Jesu in der Welt. Nichtchristen sind entsetzt, wenn sie hören, dass bestimmte religiöse Gruppen ihr vermeintliches Recht auf ungestörte Religionsausübung ohne Rücksicht auf Schwache und Gefährdete und vor allem ohne alle Schutzmaßnahmen, Abstand, Maske, Nachverfolgbarkeit etc. durchziehen wollen. Die Außenwirkung der Gemeinde Jesu Christi, die sich durch gelebte Nächstenliebe auszeichnen sollte (Mt 22,39), wird unter Umständen bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Das ist keine Nebensache. Auch in dieser Hinsicht muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Wir wollen Gottes Ehre verteidigen – aber bitte nicht mit einer rücksichtlosen Haltung.

Unseres Erachtens liegt hier zudem ein Irrtum bzw. eine falsche Definition vor. Gemeinde ist zuerst die Gemeinschaft der Gläubigen, nicht die Versammlung am Sonntag (Apg 2,42). Unsere Gottesdienstformen haben sich erst später in der Kirchengeschichte entwickelt. Treffen hin und her in den Häusern, tägliche Gemeinschaft ist heute auch noch über andere Medien möglich, in vielen Gemeinden mit Hausbesuchen, Anrufen und Mails sogar intensiver als vor Corona. Auch alternative Formen wie Gottesdienste in Hallen oder im Freien sind möglich. Die Brüder Riemenschneider und Schild verteidigen in Wahrheit nicht die Gemeinde Christi, sondern eine bestimmte, starre Form des Gottesdienstes, die sie liebgewonnen haben.

Christen und ganze Gemeinden zur Nachahmung dieses radikalen Verhaltens aufzufordern, halten wir für sehr bedenklich, ja für unangebracht und gefährlich. Wollen die Brüder wirklich Repressalien des Staates – wegen der Überbetonung ihrer gewohnten Versammlungsart – provozieren? Eventuell passieren dann auch Gesetzesbrüche, die nicht Gottes Ordnung betreffen, sondern menschliche Interpretationen von Gottesdienst und Impfung. Dass ein neutestamentliches Gemeindeleben mit etwas Flexibilität sehr wohl zur Ehre Gottes weiterpraktiziert werden kann, beweisen zurzeit ungezählte Gemeinden weltweit.

2. Riemenschneider und Schild greifen gezielt bekannte christliche Persönlichkeiten an

Noch vor wenigen Jahren kannte kaum ein Christ im deutschsprachigen Raum die beiden Frankfurter Ältesten. Im Frühjahr 2021 fühlten sich die Brüder Riemenschneider und Schild berufen, ein Thesenpapier auseinanderzunehmen, das von mehr als 50 – zum Teil namhaften – bibeltreuen Leitern verfasst bzw. unterzeichnet wurde. Sie unterstellten dieser Ausarbeitung krasse theologische Mängel. Zudem verwundert es, in welch aggressivem Ton und mit welcher Geringschätzung sie die Absicht, die Auffassungen, das Gemeindeverständnis und das Nachdenken all der Brüder beschreiben, die sie kritisieren.

Im Sommer 2021 knöpften sich die Brüder Riemenschneider und Schild in gemeinsam vorgetragenen Podcasts Roger Liebi und Michael Kotsch vor. Ihre Vorgangsweise ist folgende: Sie nehmen sich einen kleinen Redeausschnitt von beispielsweise fünf (5) Minuten vor und zerpflücken diesen dann nach allen Regeln der (juristischen) Kunst. Mit unglaublich kleinkarierter und übertriebener Akribie wird jeder Satz zerlegt, interpretiert, gedeutet, dabei auch falsch gedeutet, sodass am Ende ein anderthalbstündiger Vortrag herauskommt. Das geschah mit einem Redeausschnitt von Dr. Roger Liebi zum sogenannten „Singverbot“ und ebenso mit einem kurzen Interview-Ausschnitt von Michael Kotsch zu Olaf Latzels abwertenden Äußerungen gegen Andersdenkende.

Genau diese Vorgehensweise finden wir ausgesprochen unbrüderlich. Uns fallen keine vergleichbaren Angriffe ein, wo bibelorientierte Brüder gegen andere Brüder in dieser Weise vorgegangen sind und sich auf Kosten anderer innerhalb kürzester Zeit eine derartige Popularität verschafft haben. Denn inzwischen haben sich die Brüder Riemenschneider und Schild ein stattliches Publikum kreiert. Man darf auch fragen, warum sie sich zweimal gegen Lehrer profilieren wollten, die sich vorher in der Öffentlichkeit kritisch zum Thema „Calvinistische Theologie“ geäußert hatten.

Die Brüder Riemenschneider und Schild gehen sogar soweit, dass sie Michael Kotsch im persönlichen Gespräch und indem sie sich strikt weigern, ihn in ihren Podcasts „Bruder“ zu nennen, den biblischen Glauben abgesprochen haben. Was sagt das über die beiden Frankfurter aus, wenn sie meinen, ein bewährter Lehrer der Bibelschule Brake, der zugleich seit vielen Jahren Vorsitzender des Bibelbundes ist, sei nicht gläubig? Geht das nicht eindeutig unter die geistliche Gürtellinie? Das Wort Gottes nennt Rufschädigung und Verleumdung Sünde.

Paulus schreibt: „Denn ich fürchte, wenn ich komme, finde ich euch nicht, wie ich will, und ihr findet mich auch nicht, wie ihr wollt, sondern es gibt Hader, Neid, Zorn, Zank, üble Nachrede, Verleumdung, Aufgeblasenheit, Aufruhr“ (2Kor 12,20).

Und Petrus fügt hinzu: „So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede“ (1Petr 2,1).

Wir können nicht in die Herzen schauen. Allein Gott ist der Herzenskenner. Aber wir empfinden die Angriffe der Frankfurter Ältesten als hochmütig, arrogant und vermessen. Diese Art von „Brüder-Bashing“ darf unter uns Christen keinesfalls Schule machen.

3. Riemenschneider und Schild sprechen von der Obrigkeit als von „Tyrannen“ und stacheln ihre Hörer zum Widerstand an

In ihrem Podcast „Hilfestellung für die aktuelle Situation“ vom 03. Dezember 2021 führen die Brüder Riemenschneider und Schild unter Punkt 4 ab Minute 11,25 aus:

„Die Corona-Krise ist staatseitig geprägt von Irreführung, Propaganda,  offenkundigen Lügen, Panikmache und einschneidender Zensur sowie dem Raub    gottgegebener und grundgesetzlich verankerter Freiheiten, wodurch unzählige  Menschen auf vielfältige Weisen wirtschaftlich, sozial, gesundheitlich und seelisch   schwer geschädigt werden. Dass dies unter dem Vorwand des Lebensschutzes  geschieht, sollte uns nicht verwundern…“ (Hervorh. v. d. Autoren)

Ja, wir wissen, dass viele unserer Politiker und Politikerinnen weder an Gott noch an christliche Werte glauben – das gilt aber längst nicht für alle. Wir haben in Deutschland, Österreich und der Schweiz keine Schurkenstaaten, sondern immer noch Staatsgebilde, in denen die sogenannte Gewaltenteilung weitgehend funktioniert. So kippten Gerichte in den vergangenen Monaten etliche Male Corona-Maßnahmen der Regierungen wegen fehlender Verhältnismäßigkeit.

Dass ein antichristlich eingestellter Staat solche Gesetze auch ausnutzen kann, um gegen die Gemeinde Jesu vorzugehen, ist uns bewusst. Es ist unbedingte Wachsamkeit gefordert. Wir sind in keiner Weise staatshörig. Allerdings sehen wir solche Tendenzen zurzeit noch nicht.

Die Gefahr scheint im Augenblick von einer ganz anderen Seite zu kommen. Wer sich den Koalitionsvertrag unserer neuen Regierung genauer anschaut, dem könnte schon angst und bange werden. Wir nennen hier nur die geplante Ersetzung des Ehe-Begriffes durch den Terminus „Verantwortungsgemeinschaft“ oder auch die geplanten Lockerungen hinsichtlich der Abtreibungsgesetzgebung.

Selbstverständlich wünschten auch wir uns ein uneingeschränktes Ausleben unseres christlichen Glaubens und der gottesdienstlichen und sonstigen Zusammenkünfte. Das ist doch gar keine Frage. Aber die Brüder Riemenschneider und Schild wittern bereits „Christenverfolgung“, wenn beispielsweise eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss oder vorübergehend nicht laut gesungen werden darf. Und sie stellen die staatlichen Verantwortungsträger nahezu bei jeder Erwähnung in ein schlechtes Licht. Auch dazu hat die Schrift etwas zu sagen:

„Und Paulus sprach: Liebe Brüder, ich wusste es nicht, dass er der Hohepriester ist. Denn es steht geschrieben (2. Mose 22,27): »Den Obersten deines Volkes sollst du nicht schmähen«“ (Apg 23,5).

Derselbe Apostel Paulus schreibt:

„Erinnere sie, staatlichen Gewalten und Mächten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten, zu jedem guten Werk bereit zu sein, niemand zu lästern, nicht streitsüchtig zu sein, milde zu sein, an allen Menschen alle Sanftmut zu erweisen!“ (Titus 3,1-2)

Null-G-Regelung für Gottesdienste

Die Brüder Riemenschneider und Schild haben sich inzwischen mit ihrer Ev. Ref. Baptistengemeinde bei der Initiative „Wir schließen niemanden aus“ eingeschrieben. Ihre Vertreter fordern quasi eine Null-G-Regelung für Gottesdienste.

Sie argumentieren: „Hat Jesus Christus nicht gesagt, dass ALLE zu ihm kommen sollen?“ Doch, das hat er! Jeder Mensch kann jederzeit und an jedem Ort zu Jesus kommen! Daran ist doch überhaupt niemand gehindert. Unser Heiland sprach in Matthäus 11 eben nicht von Gemeindezusammenkünften in Pandemie-Zeiten. Damals kamen die Hilfesuchenden direkt und physisch zu ihm. Heute kann jeder Mensch an jedem Ort zu jeder Zeit geistlich zum Heiland kommen.

Der Missionsleiter einer großen Mission, den wir persönlich sehr schätzen, verwendete in einer Artikel-Überschrift jedoch die reißerische, ironisch formulierte Aussage: „Kommt her alle ‚3G‘!“ Damit wollte er sagen, dass nur Geimpfte, Genesene bzw. Getestete kommen dürfen und dass diejenigen, die nicht die 3G-Bedingungen erfüllen, vom Gottesdienst ausgeschlossen sind. Manche stoßen sich am Impfen, manche auch bereits am Testen. Wäre es nicht viel mehr eine geistliche, einheitsfördernde Lösung und überdies ein Akt echter Nächstenliebe, wenn die Gemeinden die Testkosten für alle übernehmen würden, die weder geimpft noch genesen sind? Dann könnten doch auch alle teilnehmen, oder?

Einige Christen bemühen auch die Losung des Jahres 2022: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Joh 6,37). Das ist wirklich eine wunderbare Einladung.

Nun, wenn unbelehrte Christen oder Junggläubige einen Auslegungsfehler machen, ist das sicherlich zu entschuldigen. Wenn jedoch hermeneutisch geschulte Gemeinde-Älteste oder Leiter von Missionswerken sämtliche Auslegungsprinzipien in den Wind schlagen und Aussagen völlig aus dem Zusammenhang reißen, nur um ihre Sicht damit zu stützen, ist das nicht bedenklich?

Es ist schlicht und einfach ein Denkfehler, wenn wir in der Erklärung „Wir schließen niemanden aus!“ auf deren gleichnamiger Homepage folgende Sätze finden:

 „Wir bekennen uns zur freien Ausübung des Gottesdienstes – für alle Menschen! Aus diesen theologischen und gewissensbedingten Gründen und in völliger Übereinstimmung mit Art 4 GG werden wir unter keinen Umständen akzeptieren, dass ein G-2-Status (geimpft, genesen) oder ein G-3-Status (geimpft, genesen, getestet) zur Bedingung für die Teilnahme an unseren Gottesdiensten gemacht wird.“  (Hervorh. v. den Autoren)

Übrigens wird hier verschwiegen, dass im Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgelegt ist, dass Grundrechte bei Epidemien vorübergehend eingeschränkt werden können.

Einige der in Art. 1 bis 19 im Grundgesetz verbrieften Grundrechte waren oder sind wegen der zurzeit herrschenden Pandemie (teilweise) eingeschränkt:

Art. 2 Abs. 1: Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 4 Abs. 1 und 2: Religionsfreiheit, Art. 8: Versammlungsfreiheit (die beiden letztgenannten Einschränkung treffen uns Christen besonders), Art. 12, Abs. 1: Berufsfreiheit und Art. 13 Abs. 1: Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch das Grundgesetz selbst schränkt das Grundecht auf Freizügigkeit ein, wenn es die Bekämpfung von Seuchengefahren erfordert (Art 11, Abs. 2).

Über die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen müssen in einer funktionierenden Gewaltenteilung dann die Gerichte entscheiden. Dabei geht es um eine so genannte Güterabwägung: auf der einen Seite das individuelle Recht des Einzelnen auf seine Grundrechte, auf der anderen Seite das Allgemeinwohl, in diesem Fall also die Gesundheit der Bevölkerung.

Haben die Initiatoren der Gruppe „Wir schließen niemanden aus“ diese Dinge bedacht und sorgfältig abgewogen? Wir respektieren die Glaubensüberzeugungen jedes Menschen. Aber wird hier nicht einer gewissen Rigorosität Vorschub geleistet? Wir fürchten, dass sich einige Christen bald im Gefängnis wiederfinden werden. Aus unserer Sicht werden sie sich vor Gott dann nicht auf die „clausula petri“ berufen können („Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – Apg 5,29), denn die Verkündigung und Verbreitung des wahren biblischen Evangeliums ist in keiner Weise verboten worden. Im Gegenteil: Zurzeit gibt es sogar einige begünstigende Sonderregelungen für Christen und Gemeinden.

Fazit

Die Podcasts der Frankfurter Ältesten Riemenschneider und Schild sind nun leider in der Welt. Wir fragen uns, in welchem Maße sie die Einheit der Christen gefördert oder gefährdet haben und weiter gefährden werden?

Darum fordern wir unsere Brüder Tobias Riemenschneider und Peter Schild hiermit öffentlich auf, ihre unbrüderliche Vorgehensweise gegen andere Diener Gottes zu unterlassen und über ihre scharfen, unbrüderlichen Attacken Buße zu tun.

Lasst uns einander auch in unseren öffentlichen Stellungnahmen mit Respekt begegnen. Wir alle wollen der Gemeinde Jesu helfen. Daher lasst uns versuchen, neben dem Ringen um die Wahrheit auch einen Stil zu wählen, der zu ihr passt.

 

[1] Zum Beispiel hier auf www.apologia.info Dort findet sich das Thesenpapier, das gesamte Gegen-Thesenpapier sowie eine ausführlichere Entgegnung dazu. Letztere geht u. a. auch auf die augenfällige Verharmlosung des gegenwärtigen Pandemie-Geschehens im Frankfurter Contra-Thesenpapier ein.

[2]Christus, nicht der Kaiser, ist das Haupt der Gemeinde.“ Quelle: Hilfestellung für einen biblischen Umgang mit der Corona-Impfung, pdf-Datei auf der Homepage der ERB Frankfurt, S. 9, Abs. 2, Zugriff am 23.12.2021

[3] Eine Entgegnung auf diese Erklärung findet sich ebenfalls auf www.apologia.info

[4] https://voh-missionswerk.de/blog/die-gemeinde-jesu-in-der-zerreissprobe/ Zugriff am 11.01.2022