Ich habe ein Buch über den Calvinismus gelesen mit dem Titel Evangelical Calvinism: Essays Resourcing the Continuing Reformation of the Church, das von Myk Habets und Bobby Grow herausgegeben und von Pickwick Publications (Wipf and Stock) vertrieben wird. Ich hoffe, dass meine Leser die Tatsache zu schätzen wissen, dass ich tatsächlich primäre calvinistische Literatur lese und nicht nur Bücher oder Artikel von Arminianern über den Calvinismus. Im Lauf der Jahre habe ich buchstäblich Unmengen von Büchern von Calvinisten über den Calvinismus gelesen. Und ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben. Ich habe mehrere Bücher von Calvinisten über den Calvinismus rezensiert.

Wäre es nicht schön, wenn Calvinisten Bücher von Arminianern über den Arminianismus lesen würden, anstatt dass sie ausschließlich Bücher von Calvinisten über den Arminianismus lesen? Dies geschieht jedoch selten. Aus meiner Erfahrung „informieren“ sich Calvinisten bei Charles Hodge [Calvinist, der von 1797 – 1878 lebte] oder einer ähnlich voreingenommen reformierten Quelle über Arminius (1560 – 1609) und den Arminianismus.

Wann immer ich ein Buch über den Calvinismus oder Arminianismus in der Hand halte und die Inhaltsangabe angeschaut habe, wende ich mich dem Index zu, um zu sehen, welche Autoritäten der Autor oder die Autoren konsultiert haben. Im Falle des oben erwähnten Buches Evangelical Calvinism wird Arminius selbst nur einmal als „glaubwürdige“ Quelle angeführt. Der „Arminianismus“ jedoch wird vielfach erwähnt. Zum Beispiel, auf Seite 196 im Kapitel There is no God behind the back of Jesus Christ: Christologically Conditioned Election” (Es gibt keinen Gott hinter dem Rücken Jesu Christi: Christologisch bedingte Erwählung) verlässt sich Myk Habets auf den calvinistischen Theologen David Fergusson in Bezug auf seine Information über den Arminianismus. (Hat er sich die Mühe gemacht, Arminius oder ein Standardwerk eines arminianischen Theologen zu lesen, um herauszufinden, was Arminianer wirklich glauben?)

Laut Fergusson (und folglich laut Habets) gibt es „keine Symmetrie zwischen der Akzeptanz und Verwerfung, und auf keine Weise ist das Vertrauen, das wir zeigen, von gleichem Gewicht wie Gottes Gnade.“ Genau dies trennt Barths Auffassung von dem „synergistischen Semi-Pelagianismus oder Arminianismus, wie es auch [Thomas] Torrance anwendet.“ Ich würde gerne sowohl Fergusson als auch Habets die Frage stellen, wie sie aus den Schriften von Arminius oder eines der führenden klassischen evangelikalen arminianischen Theologen die Aussage rechtfertigen wollen, dass Arminianer Gottes Gnade das „gleiche Gewicht“ zusprechen wie „dem Vertrauen, das wir zeigen.”

Eine Reihe von arminianischen Theologen (wie John Wesley, William Abraham) erscheinen in dem Buch, aber dies geschieht selten, wenn überhaupt als Quelle oder Autorität, wenn Aussagen über den Arminianismus gemacht werden.

Ein Grund, warum dies für mich eine Rolle spielt, ist meine Überzeugung, dass diese Autoren – wenn sie sich nur eingehender mit dem Arminianismus beschäftigt hätten – herausfinden würden, dass ihr „evangelikaler Calvinismus“ viel mit dem evangelikalen Arminianismus gemeinsam hat; und sie stünden möglicherweise dem Arminianismus näher als vielem, was heute in den USA oder in Großbritannien unter der Bezeichnung „Calvinismus“ dargeboten wird.

Das Buch Evangelikaler Calvinismus besteht aus 15 Essays (einschließlich der Einführung durch die Herausgeber) über eine Reihe von Themen, die für den Calvinismus und die reformierte Theologie von Bedeutung sind wie Erbsünde, Erwählung, Sakramente und Kindertaufe. Wie ein roter Faden zieht sich der Name Torrance durch alle Beiträge. Es wird deutlich, dass die meisten dieser Autoren Schüler der Gebrüder Thomas und James Torrance, zwei der führenden Interpreten der Theologie Karl Barths sind.

Die Herausgeber und Autoren machen deutlich, dass es unter dem, was man als evangelikalen Calvinismus bezeichnet, keine Uniformität gibt. Was sie gemeinsam haben, sind ihre Bedenken über den sogenannten klassischen, orthodoxen oder „föderaltheologischen“ Calvinismus, der insbesondere von Beza stammt und durch Gomarus und andere verbreitet wurde. Mit anderen Worten, es handelt sich hierbei aus ihrer Sicht um den scholastischen Calvinismus. Soweit ich es beurteilen kann, nachdem ich fast das ganze Buch gelesen habe, vertritt keiner der Autoren die Theologie der begrenzten Sühne.

Calvinistische Theologie wird oft als „föderaltheologisch“ oder „bundestheologisch“ bezeichnet. Nach dieser Sichtweise hat Gott Vereinbarungen oder Bündnisse mit der Menschheit geschlossen, die beide wichtig sind, wenn es um das Verständnis der menschlichen Geschichte geht. Der erste war der Bund von Werken, der mit Adam und Eva im Garten Eden geschlossen wurde. Er wird Bund der Werke genannt, weil er auf dem Handeln der ersten Menschen beruhte – Adam und Eva hielten sich an den Bund, solange sie von einer bestimmten Handlung absahen: dem Essen der Früchte eines bestimmten Baumes. Nichts anderes war verboten.

Bedauerlicherweise gehorchten Adam und Eva diesem einen Gebot nicht und fielen, so dass sie nun Krankheit und Tod ausgesetzt waren. Gott hatte jedoch Mitleid mit ihnen und trat so in einen neuen Bund mit der Menschheit ein. Diesmal beruhte er nicht auf Gehorsam, denn das liegt einfach jenseits der Menschen; stattdessen bedeutet der neue Bund, seine Sünden zu bekennen und durch Jesus Christus an Gott zu glauben.

Bevor ich fortfahre, lassen Sie mich sagen, dass ich dieses Buch sehr empfehle und dass ich mich freue, dass es veröffentlicht wurde. Wir brauchen andere Stimmen unter den Calvinisten – andere Stimmen als die oftmals lauten, schrillen und harschen Stimmen derjenigen, die mit der Young, Restless, Reformed-Bewegung [charismatisch/neocalvinistische Bewegung der USA] verbunden sind. (Ich rede hier nicht von den ganz gewöhnlichen jungen Menschen, die sich damit befassen, sondern von ihren theologischen “Gurus.”) Der sogenannte evangelikale Calvinismus, wie er in diesem Buch von den Herausgebern und Autoren dargestellt wird, ist ein Hauch von frischem Wind, der wahrscheinlich vom harten Kern der bundestheologischen Hochcalvinisten (TULIP/5-Punkte-Calvinismus) als revisionistisch verworfen werden wird.

Laut den Herausgebern und Autoren dieses Buches weist der Calvinismus verschiedene Strömungen auf. Ihr eigener evangelikaler Calvinismus geht in erster Linie auf führende schottische Calvinisten zurück. Wie bereits erwähnt, es handelt sich bei den zwei führenden Denkern um die Gebrüder Torrance. Viele andere Namen werden erwähnt, aber ich werde nicht auf alle eingehen. Was allerdings gesagt werden muss, ist, dass dieser Strom des Calvinismus einen Barth’schen Beigeschmack hat, aber nicht auf Barth oder die „Barthianer“ begrenzt bleibt. Zum Beispiel, der britische Theologe Peter Taylor Forsyth, der um die Jahrhundertwende lebte, wird von einigen Autoren als Vorläufer des evangelikalen Calvinismus bezeichnet, der nicht von Barth beeinflusst war (weil er vor Barth schrieb).

Ich sollte erwähnen, dass ein Thema, das sich durch den evangelikalen Calvinismus zieht, die Betonung der Einheit mit Christus als ein zentrales Anliegen des Calvinismus ist. Natürlich, die klassischen Hochcalvinisten und bundestheologischen Calvinisten werden dies ebenfalls als ihr zentrales Anliegen betrachten. Arminianer könnten dies ebenso sagen (obwohl ich gerne sagen möchte, dass der Charakter Gottes, der bedingungslos gut ist, ein hohes Anliegen der Arminianer ist).

Wenn ich ein Buch wie dieses sehe, schlage ich immer zuerst das Kapitel über das Heil auf. Das ist das Zentrum der Debatte, oder? Ich meine die Debatte zwischen dem klassischen Calvinismus und dem klassischen Arminianismus und selbst unter den unterschiedlichen Zweigen der reformierten Theologie. Also las ich mit besonderem Interesse Habets Kapitel “There is no God behind the back of Jesus Christ“ (Es gibt keinen Gott hinter dem Rücken Jesu Christi) – ein Gedanke, dem ich von ganzem Interesse zustimme!

Es folgt, was Habets über das Heil aus Sicht des evangelikalen Calvinismus zu sagen hat:

Was geschieht bei der Errettung? Wenn Menschen mit Gott konfrontiert werden, haben sie zum ersten Mal die Freiheit, sich für Gott zu entscheiden. ‚Die persönliche Begegnung mit Christus und der Vergebung auf seinen Lippen, sondert [singles out] einen Menschen aus … und gibt ihm die Freiheit Ja oder Nein zu sagen … Freiheit ist nur im Angesicht Jesu Christi möglich.‘ [Zitat von T. F. Torrance] Wenn es eine Erlösung für alle gibt, wie wir in Kürze sehen werden [dass dies der Fall ist], dann folgt sicherlich daraus, dass alle, die mit Gottes Vergebung konfrontiert werden und folglich frei sind, Buße tun werden und das Heil empfangen werden. Torrance stimmt dem nicht zu. [Habets tut dies ebenfalls.] Während Freiheit im Angesicht Jesu Christi möglich ist, ‘ist das Geheimnis –und dies werden wir nie ergründen –, dass ein solcher Mensch die Sünde Adams immer wieder von neuem begehen mag. (S.181)

Wie unterscheidet sich diese Auffassung vom klassischen evangelikalen Evangelikalismus? Ich erkenne überhaupt keinen Unterschied. Es unterscheidet sich lediglich von einem verzerrten Bild des Arminianismus.

Sage ich, dass der evangelikale Arminianismus und der evangelikale Calvinismus identisch sind? Nein. Aber es gibt auch unterschiedliche Strömungen im evangelikalen Arminianismus. Es gibt sogenannte „reformierte Arminianer“ und es gibt wesleyanische Arminianer. Es gibt Arminianer, die an unwiderstehliche Gnade glauben, und es gibt solche, die an die reale Möglichkeit des Glaubensabfalls glauben. Und so weiter. Also ist die Bezeichnung „identisch“ keine glückliche Wortwahl, wenn man zwei Theologien miteinander vergleicht.

Ich versuche nicht, den evangelikalen Calvinismus unter den arminianischen Schirm zu bringen oder umgekehrt. Offensichtlich ist es jedoch so, dass der evangelikale Calvinismus und der evangelikale Arminianismus vieles gemeinsam haben. (Ich bin mir sicher, dass dies einige Leute in beiden Lagern erschaudern lässt.) Beide glauben an die völlige Verderbtheit in dem Sinne, dass der Mensch völlig hilflos ist, geistlich etwas Gutes zu tun ohne die übernatürliche Gnade. Beide glauben, dass Christus für alle Menschen starb. Beide glauben, dass die Erwählung IN IHRER VERWIRKLICHUNG für den Einzelnen, der die errettende Gnade Gottes frei akzeptieren muss, bedingt ist. Beide glauben, dass selbst Leute, für die Christus starb, der Gnade widerstehen können.

Was genau sind die Unterschiede (neben Geschichte und Ekklesiologie)? Ich nehme an, dass der HAUPT-Unterschied darin begründet ist, dass evangelikale Calvinisten ein verzerrtes Bild des Arminianismus vertreten. Zum Beispiel, auf Seite 280 verwirft Jason Goroncy (Kapitel 10 über Erlösung) sowohl den Monergismus (Heil ist alleine aus Gott ohne menschliches Hinzutun) als auch den Synergismus (ich gehe davon aus, dass er den Arminianismus meinte – „teilweise Gott, teilweise Mensch“). Das ist natürlich nicht das, was der arminianische Synergismus lehrt.

Könnten evangelikale Calvinisten und evangelikale Arminianer miteinander reden und vielleicht gemeinsamen Grund finden, um eine Allianz zu schmieden gegen die Dominanz des TULIP/Fünf-Punkte-Calvinismus des bundestheologischen Hochcalvinismus im derzeitigen US-amerikanischen Evangelikalismus? (Unter „Dominanz“ verstehe ich nicht die Anzahl der Vertreter, sondern die veröffentlichten Bücher und die lauten Stimmen usw.) Oder werden evangelikale Calvinisten weiterhin evangelikale Arminianer mit verbitterten Augen betrachten und uns als (biblisch und theologisch) schwächere Brüder und Schwestern betrachten?

Roger Olson, Evangelical Calvinism?

http://www.patheos.com/blogs/rogereolson/2012/07/evangelical-calvinism