Neu: Das Rätsel des Calvinismus

T.A. McMahon (The Berean Call-Rundbrief 12/2015)

www.thebereancall.org

Übersetzt von Dr. Wolfgang Hemmerling

 

Die Lehren und Praktiken des Calvinismus waren mir von Anfang an bis heute ein Rätsel. Je mehr ich tatsächlich darüber erfahren habe, desto mehr verwirrt er mich. Ein paar Befürworter sagten mir, ich sei zu begriffsstutzig, seine Lehren zu begreifen. Diese Kritik beleidigt mich nicht, denn ich finde mich in bester Gesellschaft. Dave Hunt, einer der intelligentesten Leute, die ich kannte, wurde einst von zwei jungen Calvinisten-Pastoren beschuldigt, „nicht in der Lage zu sein“ (d.h. zu dämlich), den Calvinismus zu verstehen, zuerst weil er kein Griechisch oder Hebräisch konnte. Daves milde, doch pointierte Antwort war, ihre relative kurze Ausbildung in Griechisch und Hebräisch sei kaum der Sprachenkenntnis von Christen im ersten Jahrhundert zu vergleichen. Doch ihre Sprachenkenntnis gab den frühen Gläubigen anscheinend keinen Vorteil beim Ausleben der Schrift, denn ein Großteil des Neuen Testaments wurde geschrieben, um ihre Irrtümer zu korrigieren.

Dieser Artikel ist keine Apologetik gegen den Calvinismus. Dave und andere haben dieses Glaubenssystem in vielen Werken kritisiert. Wer interessiert ist, kann ihre Sichtweise leicht nachlesen. Wenn Sie mit den Ansichten des Calvinismus nicht vertraut sind, finden Sie bei uns viele Materialien, von Daves umfassendem What Love Is This? bis zu kleineren Büchern und Broschüren voll hilfreicher Information.

Ich möchte hier einige der Gedanken darlegen, die ich mir über die Jahre machte, die mir äußerst rätselhaft sind, und die mir erst noch vernünftig erklärt werden müssen, besser als „Gottes Wege, Mittel und Gedanken sind höher als meine Gedanken und Verständnis“. Das ist sicher richtig, obgleich Gott sagt: „Kommt doch, wir wollen miteinander rechten“. Er hat uns Seinen Heiligen Geist gegeben, der uns beim Verstehen hilft (Jesaja 1,18; Johannes 16,13; 1 Korinther 2,14). Dennoch finde ich die folgenden Gedanken schrecklich verwirrend.

Ich wuchs als Katholik auf, ging in eine katholische Grundschule, eine katholische Militärschule, und eine katholische Sekundarschule. Mein Glaube war mir sehr wichtig. Ich kannte ihn gut. Ich war ein “aufrichtiger Katholik”, ich nahm meine Religion ernst. Einer der meist geachteten katholischen „Heiligen war St. Augustinus. Man lehrte, er sei Vater und Doktor (Lehrer) der katholischen Kirche.

Er regte einige Hauptlehren des Katholizismus an – und bestätigte alle. Er glaubte und lehrte die wirkliche Gegenwart Christi im Brot und Wein der Messe; die Messe einschließlich der Eucharistie sei ein beständiges Opfer (Opfertod) Jesu; Taufe sei absolut notwendig für Errettung; Maria sei sündlose und ewige Jungfrau; die Apokryphen seien Teil des Alten Testaments; die Päpste erfüllten die apostolische Nachfolge; Christus würde nicht wirklich Tausend Jahre auf der Erde regieren, und alle geistliche Autorität liege in der katholischen Kirche.

Zum letzten Punkt schreibt Augustinus, „Solltest du jemanden finden, der dem Evangelium nicht glaubt, was würdest du [Mani] ihm antworten, wenn er sagt, ‚Ich glaube nicht‘? Tatsächlich würde ich das Evangelium selbst nicht glauben, wenn die Autorität der katholischen Kirche mich nicht dazu bewegen würde“ (Against the Letter of Mani Called “The Foundation ” 5:6). Es wäre Wunschdenken zu glauben, „Sankt“ Augustinus sei nicht durch und durch katholisch, oder eine unredliche Unterstützung der eigenen Neigung zur Reformationstheologie.

Was macht den Katholizismus von Augustinus zum Rätsel? Calvinistische Protestanten, die wie Calvin gegen die römische Kirche protestierten, schätzten und schätzen Augustinus hoch, fast wie Abgötterei. Calvin nannte ihn in seiner Institutio Christianae Religionis „Heiliger Vater“ und zitiert ihn mehr als 400-mal. Der Calvinist Francois Wendel bestätigt, „Bei Lehrpunkten übernimmt [Calvin] mit beiden Händen von Augustinus.“ (TBC 7/12). Dave Hunt betont in What Love Is This?, wie führende Calvinisten Augustinus loben: „Einer der größten theologischen und philosophischen Köpfe, die Gott Seiner Kirche zu geben beliebte (Talbot und Crampton, zitiert in Dave Hunt What Love Is This? [Bend, OR: The Berean Call, 2006], 56); „Der größte Christ seit neutestamentlichen Zeiten… der größte Mann, der je auf lateinisch geschrieben hat“ (Souter, zitiert in Hunt, What Love?, 56). „Seine Arbeiten und Schriften trugen mehr als die jedes anderen Mannes in seinem Zeitalter zur Förderung gesunder Lehre und der Wiederbelebung echter Religion bei“ (Rice, ibid.). Das sagen jene, die ein religiöses System vertreten, das historisch der katholischen Kirche entgegengetreten ist – zumindest in der allgemeinen Wahrnehmung.

Sollte das nicht rätselhaft sein, prüft dieses: B.B. Warfield, verehrte Ikone des Calvinismus, der das Princeton Seminar leitete, behauptete, Augustinus war sowohl Begründer des Katholizismus und Vater der Reformation (Warfield, ibid., 59). Man muss schon eine äußerst rege Phantasie haben, um diese Perspektive zu verstehen.

Der Ruf der Reformatoren lautete Sola Scriptura, denn alleine die Bibel sollte die Autorität der Christen in allen Fragen von Glauben und Praxis sein. Ich bin ganz ihrer Meinung. Obgleich jedoch Calvin und Luther dies neben anderem auf ihre Fahne hefteten, haben sie sich nicht an diese wichtige Wahrheit gehalten. Sie behielten Altlasten ihres früheren Glaubens, die sich nicht einmal in Gottes Wort finden oder der Schrift entgegenstehen. Kindertaufe zum Beispiel wurde beibehalten. Sie behaupteten, sie mache Kinder zu Christen und öffne die Himmelspforte. Statt einer öffentlichen Deklaration der Identifikation mit Christus soll das Taufritual Sünden wegnehmen und geistliche Erneuerung gewähren. Sie machten auch mit der Herrschaft des Klerus weiter und gaben ihren Priestern spezielle Macht. Bei Christi Gebot des Brotbrechens gingen sie weit über die Anweisungen der Schrift hinaus. Die Kommunion mit ihren geweihten Elementen wurde wirksames Sakrament. Nur der Klerus konnte es vollziehen. Sie war keine schlichte Handlung, die von allen Gläubigen in Gedächtnis an Christi Tod, Beerdigung und Auferstehung ausgeführt werden konnte. Besonders Calvin machte mit der katholischen Praxis der Staatskirchen weiter, wobei die säkulare Regierung von Genf seine manchmal tödlichen Dekrete unterstützte. Jene, die den Katholizismus reformieren wollten, verloren das Sola von Sola Scriptura funktional. Ich bin fassungslos und bekümmert, dass Calvinisten eine solche Aufgabe der Schrift übergehen.

Aber es gibt noch viel mehr, was mich verwirrt, und die calvinistische Lehre der Vorherbestimmung steht an erster Stelle und infiziert den Rest. Ich kann nicht verstehen, wie ein bibelgläubiger Christ überhaupt Calvins Sicht der Vorherbestimmung und Gottes Souveränität akzeptieren kann, die er überwiegend den Werken „Sankt“ Augustinus entnommen hat. Calvin erklärte:

„Mit Augustinus sage ich, der Herr hat jene geschaffen, die, wie er gewiss vorherwusste, in die Vernichtung gingen, und er machte es so, weil er es wollte. Wir brauchen nicht zu fragen, warum er das wollte…“

Calvin lehrte, alles hinge vom bloßen Willen Gottes ab. R.C. Sproul Jr. schreibt, „Gott will alles, was geschieht… Gott wünschte, dass der Mensch in Sünde falle… Gott schuf Sünde“ (Sproul Jr., Ibid., 275). Ein anderer Calvinist sagt,

„Gott steht hinter allem. Er entscheidet und veranlasst alles Geschehen…. Er hat alles ‚nach dem Ratschluss seines Willens‘ vorherbestimmt: die Bewegung eines Fingers, den Herzschlag, das Lachen eines Mädchens, den Fehler einer Schreibkraft – sogar Sünde“ (Palmer, ibid.).

Denkt einen Moment nach, was es bedeutet, was diese Männer gesagt haben und was eine Vielzahl anderer Calvinisten in Übereinstimmung lehren. Glauben sie wirklich, Gott sei der Urheber jeder bösen Handlung der Menschheit? Wenn ja, und ich sehe nicht, wie sie das umgehen können, ist es die höchste Blasphemie gegen den Charakter Gottes. Es ist mir unklar, wie Menschen, die bekennen, Gott zu kennen und zu lieben, und in der Christenheit hoch geschätzt sind, es auch nur denken, geschweige denn predigen können? Hat sie ihr „intellektuelles Denken“ blind gemacht für die deutliche und überwältigende Zahl von Stellen, die ihrer Theologie widersprechen? Ich fasse nicht, warum sie es nicht kapieren.

Das ist kein so genanntes hypercalvinistisches Denken. Vorherbestimmung ist der Kern der calvinistischen Lehre über Souveränität, Vorherwissen, vorbehaltlose Erwählung, Leugnen des freien Willen, unwiderstehliche Gnade, begrenztes Erlösungswerk, Erneuerung vor Glauben, und ganz gewiss das ewige Geschick von Millionen, vielleicht Milliarden Seelen, die vor Beginn der Zeit für den Feuersee vorherbestimmt wurden.

Ich könnte jede Seite dieses Artikels und mehr mit den Widersprüchen, dem Unsinn und den tragischen falschen Charakterisierungen unseres Gottes und Heilandes füllen, zu welchen die Ansichten der Calvinisten bei Prädestination und Souveränität führen. Sie sind eine entsetzliche Beleidigung für biblische Wahrheit und gesunden Menschenverstand. In diesem Artikel haben wir nur für ein paar wenige Platz. Dennoch hoffe ich, dass Calvinisten oder wer zu diesem Glaubenssystem neigt, darüber intensiv nachdenkt und betet.

Meine Fragen:

Warum sollte Jesus den Vielen Buße predigen (Matthäus 4,17), wenn ihr Schicksal bereits vorbestimmt war? Warum hat Jesus Städte, wo Er Wunder vollbrachte, getadelt, weil sie nicht Buße taten? Hatten Sie eine Wahl? Warum würde Jesus alle rufen, die mühselig und beladen sind, zu Ihm zu kommen (Matthäus 11,28), wenn die Nichterwählten es nicht können? Warum würde Jesus ein Kind nehmen (Matthäus 18,1-4) und sagen „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel kommen“? Hätte Er nicht besser gesagt: „erwählte Kinder“? Auch sagte Er (Matthäus 18,14), „So ist es auch nicht der Wille eures Vaters im Himmel, dass eines dieser [erwählten?] Kleinen verlorengeht.“ Warum rief Jesus „die ganze Volksmenge zu sich (Markus 7,14) und sagte, „Hört mir alle zu und versteht!“, wenn sie nicht kommen oder verstehen konnten, bis sie wiedergeboren waren? Lag der Engel, der den Hirten erschien (Lukas 2,10) falsch, als er sagte: „Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die dem ganzen Volk widerfahren soll.“ Warum würde Jesus sagen: „Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um die Seelen der Menschen zu verderben, sondern zu erretten“ (Lukas 9,56), hätte Er unzählige für ein grauenhaftes Schicksal vorherbestimmt? Warum ist „Freude vor den Engeln Gottes über {einen} Sünder, der Buße tut“ (Lukas 15,10), wenn es durch „unwiderstehliche Gnade“ erzwungen und zuvor programmiert wurde? Johannes schreibt: „Und wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt“ (1 Johannes 4,14) und „noch viel mehr Leute glaubten um seines Wortes willen. Und zu der Frau [am Brunnen] sprachen sie: Nun glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; wir haben selbst gehört und erkannt, dass dieser wahrhaftig der Retter der Welt, der Christus ist“ (Johannes 4,41-42). Waren all die Samariter wiedergeboren, bevor sie zu Ihm kamen?

Das sind nur ein paar Verse, die begründete Fragen zum calvinistischen Glauben aufwerfen. Sowohl Altes wie der Rest des Neuen Testamentes enthalten Hunderte mehr. Warum würde Josua sagen, „so erwählt euch heute, wem ihr dienen wollt“ und „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem HERRN dienen“ wenn sie alle tatsächlich keine Wahl hatten? In der Offenbarung erfahren wir vom großen weißen Thron Gericht der Verlorenen (Offenbarung 20,11-15). Sollten die calvinistischen Vorherbestimmungslehren wahr sein, d.h. die vor Christus zum Gericht stehenden Seelen wurden für den Feuersee vorherbestimmt, bevor die Menschheit erschaffen wurde, und sie keine Gelegenheit zum Heil hatten, weshalb sollten sie gerichtet werden? Es gibt nichts zu richten, sollte der Calvinismus stimmen, wo nicht nur das Schicksal der Verlorenen vorherbestimmt ist, sondern die Sünden, die sie begingen, von einem absolut souveränen Gott verursacht wurden. Jeder Versuch, diese Gerichtsverse mit dem Calvinismus in Einklang zu bringen, macht die Lehre der Schrift im besten Fall zur Farce, und zur Verhöhnung Jesu und ein Zerrbild von Gottes Wort im schlimmsten Fall.

Beim Lesen calvinistischer Autoren finden wir, dass ihre Ungereimtheiten durchgängig sind. John MacArthurs Kommentare in seiner Studienbibel [im Deutschen: Schlachter 2000 Studienbibel] ist voller Lehren, die seinem fünf Punkte Calvinismus widersprechen. In Bezug auf 5. Mose 30,15 schreibt er zum Beispiel: „Mose skizziert die Entscheidung – Gott zu lieben und ihm zu gehorchen, bedeutet das Leben und das Gute, Gott zu verwerfen, den Tod und das Böse. Wenn sie sich entscheiden würden, Gott zu lieben und seinem Wort zu gehorchen, würden sie alle Segnungen Gottes genießen“ (Hervorhebung hinzugefügt)

Für mich ist der Calvinismus ein anhaltendes Rätsel. Nachdem ich 30 Jahre lang Katholik war, bin ich den Reformatoren dankbar, der mächtigsten religiösen Institution jener Zeit die Stirn geboten und Christen auf die Schrift verwiesen zu haben. Dennoch bin ich bekümmert und erschüttert über die unbiblische Theologie, die die Reformatoren unter dem Banner Sola Scriptura geschaffen haben und die daraus hervorgehende Entstellung von Gottes Charakter und dem Potential, das Evangelium zu verdrehen. Dieser wachsende Einfluss ist sehr beunruhigend und verwirrt mich persönlich, weil einige meiner guten Freunde und Verwandten Calvinisten sind oder einige ihrer Lehren vertreten. Obgleich ich dankbar bin, dass Gott durch Gebet Gelegenheiten verschafft, ihre Ansichten durch die Schrift anzufechten, bleibt dies eine Last, die auf meinem Herzen liegt.

Allerdings ermutigt Gott. Als ich einmal mit meinen calvinistischen Freunden nicht weiterkam und es mich runterzog, fragte ich unvermittelt einen Pastor, mit dem ich fuhr. Es hatte mit keinem zuvor berührten Thema zu tun. Ich überraschte ihn, als ich ihn fragte, was er über den Calvinismus dachte. Er dachte kurz nach und erklärte, in seiner Hochschule waren alle seine Lieblingsprofessoren Calvinisten. Viele ihrer Lieblingsautoren waren ebenso Calvinisten und er hatte einige ihrer Bücher gelesen. Daher glaubte er, solange er dort war, er sei auch Calvinist. Meine deprimierte Antwort war, „dann sind Sie Calvinist“, was mehr ein trauriger Schluss als eine Frage war. Er grinste mich an. „Nein, bin ich nicht!“ Da lachte ich erleichtert. Ich fragte, “was geschah denn?” Er antwortete sachlich, je mehr er das Wort Gottes las, desto schwieriger fand er, seine calvinistischen Ansichten mit der Schrift in Einklang zu bringen.

Das einzige, was ich noch anfügen kann, ist mein Gebet, alle die vom Calvinismus angezogen werden, sollten ebenso die Schrift untersuchen, um zu sehen, ob solche Lehren Gottes Wort entsprechen.